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Geschrieben von Petra28 am 29.12.2019, 21:32 Uhr

Das Volk ist doof, aber gerissen

In deutschen Landen ist augenblicklich ein Lied im Schwange, das den vollendetsten Ausdruck der Volksseele enthält, den man sich denken kann – ja, mehr: das so recht zeigt, in welcher Zeit wir leben, wie diese Zeit beschaffen ist, und wie wir uns zu ihr zu stellen haben. Während der leichtfertige Welsche sein Liedchen vor sich hinträllert, steht es uns an, mit sorgsamer, deutscher Gründlichkeit dieses neue Volkslied zu untersuchen und ihm textkritisch beizukommen. Die Worte, die wir philologisch zu durchleuchten haben, lauten:

Wir versaufen unser Oma sein klein Häuschen –
sein klein Häuschen – sein klein Häuschen –
und die erste und die zweite Hypothek!

Bevor wir uns an die Untersuchung machen, sei zunächst gesagt, daß das kindliche Wort ›Oma‹ so viel bedeutet wie ›Omama‹, und dieses wieder heißt ›Großmutter‹. Das Lied will also besagen: „Wir, die Sänger, sind fest entschlossen, das Hab und Gut unsrer verehrten Großmutter, insbesondere ihre Immobilien, zu Gelde zu machen und die so gewonnene Summe in spirituösen Getränken anzulegen.“ Wie dies –? Das kleine Lied enthält klipp und klar die augenblickliche volkswirtschaftliche Lage: Wir leben von der Substanz. So, wie der Rentner nicht mehr von seinen Zinsen existieren kann, sondern gezwungen ist, sein Kapital anzugreifen – so auch hier. Man beachte, mit welcher Feinheit die beiden Generationen einander gegenübergestellt sind: die alte Generation der Großmutter, die noch ein Häuschen hat, erworben von den emsig verdienten Spargroschen – und die zweite und dritte Generation, die das Familienvermögen keck angreifen und den sauern Schweiß der Voreltern durch die Gurgel jagen! Mit welch minutiöser Sorgfalt ist die kleine Idylle ausgetuscht; diese eine Andeutung genügt – und wir sehen das behaglich kleinbürgerliche Leben der Großmama vor uns: freundlich sitzt die gute alte Frau im Abendsonnenschein auf ihrem Bänkchen vor ihrem Häuschen und gedenkt all ihrer jungen Enkelkinder, die froh ihre Knie umspielen . . .

Das ist lange her, Großmutter sank ins Grab, und die grölende Korona der Enkel lohnt es ihr mit diesem Gesang: „Wir versaufen unser Oma ihr klein Häuschen . . . “ Ist dies ein Volkslied –? Es ist seine reinste Form. Man darf freilich nicht an früher denken. Früher sang wohl der Wanderbursch sein fröhlich Liedchen von den grünen Linden und den blauäugigen Mägdelein – weil das sein Herz bewegte. Nun, auch dieses Lied singt von dem, was unser Herz bewegt: von den Hypotheken. Hatte früher Walther von der Vogelweide sein „Tandaradei“ durch die Lüfte tönen lassen und den Handel den Pfeffersäcken überlassen, so ist es heute an den Kaufleuten, „Tandaradei!“ zu blasen, und die Liederdichter befassen sich mit den Hypotheken. Wenn auch freilich in naiver Weise. Denn es ist dem Liedersänger entgangen, daß die Hypothek selbst ja eine Schuld ist, die man unmöglich vertrinken kann – meint er doch wahrscheinlich die für die eingetragene Hypothek als Darlehn gegebene Summe, die der Schuldner in leichtfertiger Weise verbraucht. So singt das Volk. Hier spricht die Seele deines Volkes. Hier ist es ganz. Es soll uns nicht wunder nehmen, wenn nächstens in einem schlichten Volkslied das Wort ›Teuerungszulage‹ oder ›Weihnachtsgratifikation‹ vorkommt – denn dies allein ist heute echte, unverlogene Lyrik.

Dichter umspannen die Welt in brüderlicher Liebe, Poeten sehen Gott in jedem Grashälmchen – das ehrliche Volk aber gibt seinen Gefühlen unverhohlen Ausdruck. Noch lebt es von den Gütern der Alten. Langsam trägt es Sommerüberzieher, Sofas, Überzeugungen und Religionen auf – neue schafft es zur Zeit nicht an. Was dann geschieht, wenn die alle dahin sind, darüber sagt das Lied nichts. Vorläufig sind sie noch da – und so lange sie noch da sind, lebt das Volk von der Substanz.

Und versauft der Oma sein klein Häuschen.

Peter Panter

 
21 Antworten:

Ich weiß nicht, wie man es richtig schreibt.

Antwort von emilie.d. am 29.12.2019, 21:46 Uhr

Bei uns wurde (mittlerweile singt es mein Sohn auch schon) häufiger dieses Liedchen geträllert.

Onze meester war eens voort - ham wa de schubkaare verkloppt - und dann versoffen. Nu müsse ma die Klamotten tragen - die ma sünst ham gefahren.

Ähnlicher Zeitgeist.

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Re: Das Volk ist doof, aber gerissen

Antwort von As am 29.12.2019, 22:01 Uhr

Trifft meinen Humor

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Ich bin erschüttert!

Antwort von Berlin! am 29.12.2019, 22:18 Uhr

Dieses Propagieren von Alkoholkonsum, schrecklich, wie könnt ihr nur?

Man sieht ja, wohin das saufen führt: am Ende ist die Oma wohnungslos. Und ihr lacht auch noch.

Ich bin tief betroffen.

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meine Oma fuhr im Hühnerstall Motorrad

Antwort von DecafLofat am 30.12.2019, 8:16 Uhr

Früher war alles besser. Merkel hilf!11!!1!!

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Re: Das Volk ist doof, aber gerissen

Antwort von Hase67 am 30.12.2019, 10:15 Uhr

Schön wäre es ja, wenn die Wutbürger-Gemeinde ihre Kritik genauso satirisch meinen würde wie Tucholsky damals. Aber Satire ist ja böse, weil die Leute, die sie schreiben, unter Umständen mehr Grips unterm Pony haben als man selbst.

Mich hätte interessiert, was Tucholsky zu der ganzen Oma-Farce geschrieben hätte.

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Re: Das Volk ist doof, aber gerissen

Antwort von Sille74 am 30.12.2019, 10:41 Uhr

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Und das, wo doch die ganzen Asylanten die billigen

Antwort von Schru am 30.12.2019, 11:24 Uhr

Wohnungen kriegen... Die Oma wird obdachlos

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Re: Das Volk ist doof, aber gerissen

Antwort von SassiStern am 30.12.2019, 11:27 Uhr

Tucholsky finde ich Super!
Ich handle nach seiner Maxime: "Nichts ist schwerer und erfordert mehr Charakter, als sich in offenem Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein!"

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Re: Das Volk ist doof, aber gerissen

Antwort von Hase67 am 30.12.2019, 11:36 Uhr

Tucholsky wäre wahrscheinlich begeistert gewesen, dass du sein Fan bist. Er war überzeugter Sozialist und hat zeitlebens vor dem Erstarken rechter politischer Tendenzen gewarnt. Leider (oder für ihn vielleicht auch zum Glück) ist er sehr früh an einer Medikamentenüberdosis gestorben. Er hat das Grauen des Zweiten Weltkriegs also nicht mehr mitbekommen.

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Re: Das Volk ist doof, aber gerissen

Antwort von Petra28 am 30.12.2019, 11:41 Uhr

Das überrascht mich, ich dachte folgendes wäre mehr so deins: “Der Mensch hat neben dem Trieb der Fortpflanzung und dem zu essen und zu trinken zwei Leidenschaften: Krach zu machen und nicht zuzuhören.“

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Re: Das Volk ist doof, aber gerissen

Antwort von Hase67 am 30.12.2019, 11:54 Uhr

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Re: Das Volk ist doof, aber gerissen

Antwort von SassiStern am 30.12.2019, 11:59 Uhr

Das überlasse ich gerne Haschi und Kathi

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Re: Das Volk ist doof, aber gerissen

Antwort von pauline-maus am 30.12.2019, 12:21 Uhr

nur leider kann man nicht nur Satire draufschreiben und dann steckt auch Satire drin.
denn auch wenn es dabei sprachlich böse und teuflisch zugeht, darf der Respekt nicht einfach unterschlagen werden , was aber leider immer mehr überhand nimmt.

schon im kleinen hier im gesamten Forum , bei verschiedenen Meinungen und Ansichten sollte doch auch hier eine gewisse Netiquette beibehalten werden und so dann auch im realen Leben, mit realen Menschen.
dem einher geht ein mü empathie ganz gut um im Dialog zu stehen und nicht nur draufzuhauen ...
und genauso sollten auch die kinder erzgen werden und nicht schon von baby an einzutrichtern , das sich die ganze Welt nur um das Individuum dreht , sondern genau andersrum .
habe ich eine meinung , dann muss ich auch eine andere als solche hinnehmen , fertig

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Re: Das Volk ist doof, aber gerissen

Antwort von kati1976 am 30.12.2019, 12:45 Uhr

Herr Sassi wie üblich zu doof zum Namen schreiben.

Weniger saufen dann klappt das auch

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Re: Das Volk ist doof, aber gerissen

Antwort von Hase67 am 30.12.2019, 12:46 Uhr

Dass du aber auch auf jede Provokation anspringen musst - gönn dir doch mal eine Pause von dieser Energiezecke.

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Re: Das Volk ist doof, aber gerissen

Antwort von kati1976 am 30.12.2019, 13:04 Uhr

Ich habe Langeweile und so ein Trottel amüsiert mich einfach.

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Re: Das Volk ist doof, aber gerissen

Antwort von Sille74 am 30.12.2019, 13:07 Uhr

Was würde wohl Tucholsky zum Shitstorm gegen Nuhr sagen?

Was würde er, als Soldat im 1. Weltkrieg und Zeitzeuge der unguten Nachkriegszeit und Weimarer Republik, zu Kindern und Jugendlichen sagen, die in stabilen Demokratien mit einem sozialen Netz, mit vergleichsweise (im Vergleich zu seiner Zeit) super Bildungsmöglichkeiten und weitgehend ohne lebensbedrohliche Armut und wohlbehütet von Eltern mit 35 Stundenwoche und arbeitsfreien Samstagen und Sonntagen (bzw. mit Ausgleich für Arbeit an diesen Tagen) aufwachsen, sich aber dennoch "um ihre Kindheit gebracht" fühlen?

Wäre doch auch interessant zu erfahren, oder nicht?

Ganz ehrlich, was für ein sinnbefreiter Faden (insbesondere, wenn man weg will von der Frontenbildung...)

Und noch ein paar nette Zitate von Tuchilsky:

"Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben"

"Streit ende sollten wissen, dass nie einer ganz Recht und der andere ganz Unrecht hat"

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Re: Das Volk ist doof, aber gerissen

Antwort von pauline-maus am 30.12.2019, 13:07 Uhr

würde es immer -piep- machen , bei solchen seitenhieben, könnte man gar nicht mehr laut schreiben und müsste mit augen- zu lesen ....
das meine allgemein ,nicht speziell auf jemanden gemünzt

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Re: Das Volk ist doof, aber gerissen

Antwort von Hase67 am 30.12.2019, 13:19 Uhr

Kannst du noch mal erklären, was du mit deinem Posting meinst? Ich verstehe nicht, was du mit "piep" und mit "laut schreiben" und mit "mit augen zu lesen" sagen willst.

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Re: Das Volk ist doof, aber gerissen

Antwort von pauline-maus am 30.12.2019, 13:24 Uhr

alles nur Satire;)
ich wünschte nur , ihr würdet etwas netter miteinander umgehen , auch wenn konträre meinungen betsehen

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Re: Das Volk ist doof, aber gerissen

Antwort von Hase67 am 30.12.2019, 13:35 Uhr

Alles klar, verstanden!

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