Baby und Job

Forum Baby und Job

Grenzen akzeptieren

Thema: Grenzen akzeptieren

Seit ich Mutter bin, verfolge ich das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf - hier im Forum und in der Presse. Ich hatte auch diese Vorstellung, das mit meinem Mann gemeinsam schon alles hinzubekommen. Ein bisschen unbescheiden möchte ich meinen, dass meine Arbeitsleistung überdurchschnittlich blieb. In den Jahren vor der ersten Geburt hatte dies mir mehrere Beförderungen gebracht. Nun ackerte ich dank Home-office weiter - auch abends und am Wochenende - ich war immer erreichbar, gab Unsummen für Babysitter aus, um Termine zu realisieren, die mit der Kitaschließzeit kollidierten. Und was war der Lohn: die nächste Beförderung wurde verweigert, weil ich zu wenig anwesend sei durch meine Teilzeit und Heimarbeit. Mein übervolles Überstundenkonto sieht leider nur die Personalabteilung, nicht mein Chef. Da war ich tief enttäuscht und wütend und dachte, Dir zeige ich es. Ich kämpfte. Erfolglos. Ich war in der Mütterschublade und kam da nicht raus. Nun sitze ich hier, stille das letzte Baby, das ich in meinem Leben haben werde und habe mir vorgenommen, dass ich es beim nächsten Wiedereinstieg in ein paar Wochen anders machen werde. Ich komme in eine neue Abteilung und ich werde von Anfang an klar machen, dass ich bereit bin, gute Arbeit zu leisten und Einsatz zu zeigen. Aber ich werde mich und meine Kinder nicht mehr um gemeinsame Zeit bringen, wenn dieser Einsatz überhaupt nicht gesehen, geschweige denn gewürdigt wird. Was bedeutet dieser Gedankenumschwung aber nun? - Verrate ich meine Ideale oder bin ich einfach nur realistischer geworden oder gar altersweise? Egal, mein neuer Vorsatz fühlt sich so gut an, denn es bedeutet weniger Druck. Und ich finde es gut, dass einige, die ich hier echt als tough kennengelernt habe wie Benedikte oder Tinai sagen, dass es Grenzen gibt - dass der Wunsch okay ist, wenn man abends zu Hause sein will oder dass politisches Engagement eben auf der Strecke bleibt, wenn die Ressourcen nicht reichen. Dankeschön dafür. Jetzt hoffe ich nur, dass ich das auch umgesetzt kriege und nicht wieder in das alte Muster zurückverfalle.

von Kleine Fee am 07.12.2010, 14:27



Antwort auf Beitrag von Kleine Fee

Hallo, ich wünsche Dir auf jeden Fall viel Erfolg. Es ist auch typisch weiblich immer zu meinen, es allen Recht machen zu müssen. Ich gebe zu, ich bin inder Position, dass ich Termine zu bestimmten Zeiten verweigern kann, ich habe inzwischen auch keine Hemmung zu sagen "da ist das Krippenspiel meiner Tochter und sie legt höchsten Wert darauf, dass ich komme". Denn alle wissen, dass ich Prioritäten setze. Das heißt, wenn eine große Veranstaltung ist, die meine Anwesenheit übers Wochenenende und vollen Einsatz fordert, dann können 100 andere Sportveranstaltungen der Kinder sein, dann muss das eben mal zurückstehen. Mir hilft ein bisschen, dass ich aus einer großen Familie komme und da war es nie möglich, dass meine Eltern immer und bei allen dabei waren, weil es einfach zu viele Veranstaltungen allein für die Kinder waren. Da wird es aber dann akzeptiert, beim Beruflichen seltenere - aber auch immer nur von den Müttern/Frauen. Du kannst auch nicht still Anerkennung für Überstunden und Verfügbarkeit erhoffen. Du solltest auch zu hören sein. Man bekommt eher Respekt, wenn man seine Bereitschaft UND seine Grenzen klar definiert und auch lebt, dann ist man auch berechenbar. Da fand ich den unten verlinkten Artikel in der Süddeutschen sehr gut. Viel Erfolg Gruß Tina

von Tinai am 07.12.2010, 17:16



Antwort auf Beitrag von Kleine Fee

Kleine Fee, ich glaube, so wie Dir ergeht es vielen guten und motivierten Frauen. Wenn es sich für Dich richtig anfühlt, dann ist es wohl das Richtige. Da bist Du sicher niemandem zur Rechenschaft verpflichtet. Trotzdem finde ich es schade, weil offenbar viel Motivation und Potential ungenutzt bleiben. Ich habe nach meinem ersten Kind für kurze Zeit Teilzeit gearbeitet, 80%, aber in Wirklichkeit waren es über 100%. An meinem freien Tag brauchte ich ständig kostenpflichtige Extra-Kinderbetreuung, wurde aber dafür nicht bezahlt. In der anstehenden entscheidenden Beförderungsrunde wurde ich nicht befördert, "weil sich die Erwartungen an meine Aufgabe nicht mit einem Teilzeitjob verbinden ließen." Dabei hatte ich eigentlich niemals Teilzeit gewollt, mein Chef hat es mir aber so freundlich angeboten, dass ich im Grunde nicht nein sagen konnte. Schön dumm, aber hinterher ist man immer klüger. Hinterher habe ich auch gewusst, dass ich meinen Arbeitsaufwand einfach besser hätte verkaufen müssen. Trotz fast ständiger Anwesenheit und Bereitschaft war ich irgendwie die Teilzeit-Mutti. Ich habe nach großer Enttäuschung die Kurve noch gekratzt und die wichtige Beförderung dann auch noch bekommen. Daraus habe ich gelernt (das gilt jedenfalls bei uns, woanders mag es anders sein): 1) Mit Teilzeit, auch mit 95%, ist man immer die Teilzeit-Mutti. Vollzeit und mal früher gehen ist viel besser. So habe ich es dann bei meinem zweiten Kind gemacht, für mich war es eindeutig das bessere System. Keine Angst davor haben, mal bei Abwesenheit erwischt zu werden. Ruhig sagen: ich musste mein Auto in die Werkstatt bringen, das versteht auch jeder Mann. 2) Befördert lebt es sich besser als unbefördert: befördert kann man mal auch mal delegieren und sich für eigene Ziele (z.B. bei mir Frauenförderung) einsetzen. Die Stimme hat einfach mehr Gewicht. 3) Nicht nur gute Leistungen bringen, sondern auch laut dabei klappern. Laut und deutlich sagen, was man möchte (Beförderung). 4) Wie es so schön heißt: die Komfortzone verlassen und notfalls auch zu unbequemen Maßnahmen (Jobwechsel) bereit sein. Ich kann jede verstehen, die diesen Kampf nicht aufnehmen möchte, aber ich kenne gar nicht wenige (wenn auch immer noch zu wenige) Frauen, die es so oder so ähnlich geschafft haben. LG, carla72

von carla72 am 07.12.2010, 17:44



Antwort auf Beitrag von carla72

Ich stimme Dir voll zu, carla72! Habe auch lange überlegt, nach der Erziehungspause (wieso heisst das eigentlich Mutterschutz?) auf 80% wieder einzusteigen, mich aber nun klar dagegen entschieden. Bei meinem Job würde ich sowieso 100% arbeiten und dann hätte ich gerne auch das Geld dafür. Statt dessen werde ich abends pünktlicher gehen und wenn es sein muss mal etwas von zu Hause einlegen. Das geht in der Tat einfacher, wenn man ein gewisses Level hat und delegieren kann. Allerdings fällt mir aber auch immer wieder auf, dass Frauen nie um Hilfe bitten, sondern lieber mal ein Projekt dem männlichen Kollegen überlassen. Wieviel einfacher und ertragreicher ist es, dem Chef klar zu machen, dass man für xyz eine zusätzliche Stelle braucht und dann extra Sachen zu machen, statt nur das Nötigste zu schaffen und dann bei der Jahresbeurteilung nicht viel vorweisen zu können. Für Tagesgeschäft ist noch niemand befördert worden bei uns. Gruss, Nadine

von NadineLausanne am 07.12.2010, 17:57



Antwort auf Beitrag von carla72

Hallo, ich habe die selben Erfahrungen gemacht. Wenn man auch nur ein bischen Karriere machen will, dann ist Vollzeit einfach Pflicht.Teilzeit, egal wie viele Überstunden man auch ansammelt, ist immer die Mama-Schiene. Traurig, aber so ist das nun mal in Deutschland. Flexibilität, als Mutter schwierig genug, ist nun mal auch von Nöten. Ich halte es auch so, dass ich versuche die Spätveranstaltungen, halt durch zumindest gelegentliches pünkliches Gehen auszugleichen. Außerdem, die Leistungen die man bringt anderen und dem Chef auch präsentieren (Das fällt uns Frauen denke ich immer noch schwerer als den Männern). Und Job wechseln, wenn man gar nicht weiter kommt. Ich kenne zuviele Frauen, die sagen, ich bin hier schon seit 10 Jahren, da werde ich doch meinen sicherern Arbeitsplatz nicht verlassen. Schuld eigene. Im Betrieb x bleibt frau immer die Schwangere oder die Mutti in Erziehungszeit. In Betrieb y sind die Kinder dann schon aus dem gröbsten raus und somit nicht mehr so betreuungsintensiv.

von Nicol am 07.12.2010, 21:39



Antwort auf Beitrag von Kleine Fee

"Grenzen akzeptieren" klingt schon sehr entsagungsvoll-resignativ, auch wenn ich genau weiss, was Du meinst. Dazu eine Frage an die alten Hasen: ist hier in diesem Forum eigentlich jemals ein Mann gesichtet worden? Wie oben schon geschrieben wurde, eine bessere "Vermarktung" der eigenen Strategie ist sicher oft was, was wir uns zuwenig (zu)trauen. Aber ich habe den Eindruck, dass sich hier der Wind gerade dreht und man damit wesentlich offensiver umgehen kann. Ich hoffe, mit dieser Einschätzung täusche ich mich nicht zu sehr. Genau wie in dem SZartikel beschrieben wird es allmählich klar, dass das Problem alle angeht und daher kriegt man auch mehr Respekt, wenn man da eine Lösung verwirklicht - wie begrenzt und lückenhaft sie auch immer sein mag. Ich traue mich auch jetzt erst ganz offiziell Vollzeit zu arbeiten, obwohl ich öfter nicht da bin und die Arbeit halt unterwegs oder sonstwann mache. Aber ich nehme mich damit selber für voll und ermögliche es damit auch den anderen.. ;-) alles Gute al1ce

von Al1ce am 07.12.2010, 19:58



Antwort auf Beitrag von Al1ce

An einen Mann kann ich mich hier nicht erinnern. Es gibt einige im AE Forum nebenan. :-) Die haben teilweise natürlich die gleichen Probleme. Aber hierher kam noch nie-mann-d.

von shortie am 08.12.2010, 08:36



Antwort auf Beitrag von shortie

Wenn ich mich recht entsinne, ist oeli_bene ein Mann. Der hat sich hier auch schon manchmal blicken lassen. Aber nicht oft. Gruss FM

von Foreignmother am 09.12.2010, 16:29