Rund um die Erziehung

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Geschrieben von solelo am 15.07.2007, 19:27 Uhr

@Aurore Bedürfnisorientierte Erziehung - Grenzen

Hallo Aurore,

"bedürfnisorientierte Erziehung" finde ich nicht so gut, weil darunter ja trotzdem Stiller Stuhl und diverse Methoden eingesetzt werden dürften. "Bedürnisorientierte Nichterziehung" fänd ich schon besser, würde vielleicht diejenigen beruhigen, die gleich an Laissez-Faire denken.

***Nichterziehung klingt für mich irgendwie nach laisser-faire, ein Konzept dem ich sehr skeptisch gegenüber stehe. Meiner Meinung nach brauchen Kinder gewisse Grenzen, und diese zu vermitteln ist eben das, was ich unter Erziehung verstehe. ***

Hm, ich glaube die wenigsten Grenzen müssen wirklich "vermittelt" werden. Und viele müssen nur deshalb vermittelt werden, weil unsere Gesellschaft so verkorkst ist :-) Aber *eigentlich* sind Grenzen entweder Grenzen und für alle sichtbar, oder es sind eben doch keine, dann muss auch nichts vermittelt werden.

***Hier im Erziehungsforum gab es doch vor kurzem das Beispiel des siebenjährigen Kindes, das an einem Supermarktregal herumklettern wollte. In so einem Fall ist es meiner Meinung nach meine Aufgabe, eine Grenze zu ziehen und das Kind zu bitten, dies zu unterlassen. Nicht, weil ich es nicht möchte, nicht (nur), weil es für das Kind gefährlich sein könnte, sondern weil es auch andere gefährden könnte...***

Bei Gefahren greift jeder Mensch ein, oder? Egal ob ich einen Fremden, einen Erwachsenen, ein Kind, oder MEIN Kind sehe, der gerade in Begriff ist, sich oder andere zu verletzen – es ist jedermanns Aufgabe, da einzugreifen. Das hat nichts mit Erziehung zu tun – es sei denn, wir sind wirklich bei Wortklauberei. Wir können nicht miteinander diskutieren, wenn wir beide unterschiedliche Definitionen von "Erziehung" verwenden. Du kannst ja gerne meine für doof halten und weiterhin Erziehung so definieren, wie du willst :-) Aber um über "Nichterziehung" reden zu können, muss man einfach klar wissen, wie man das definiert, was man "nicht" macht. Und das wäre hier also bewusste Menschenformung, Manipulation, Methoden, "ziehen", in eine Form pressen, für die Gesellschaft "passend machen", Maßnahmen, Verhaltensorientierung, Training, Hunde-Konditionierung, so was.... Und mit alle dem hat ein Eingriff in einer Gefahrensituation nichts zu tun. Der gerettete Mensch wird immer dankbar dafür sein, gerettet worden zu sein, bestand denn auch wirklich eine Gefahr, aber selbst wenn nicht, wird er es sicher Ok finden.

In dem Supermarktbeispiel allerdings sehe ich wirklich keine konkrete Gefahr. Ich sehe da eher Peinlichkeiten, Erwartungshaltungen, "unangebrachtes" Verhalten – was auch OK ist, das sollte dem Kind aber auch so "vermittelt" werden – denn hier ist es auch wirklich die verkorkste Gesellschaft, die daran schuld ist. Bestünde nämlich NICHT die Gefahr, dass das Kind sich beim Spielen an den Regalen verletzt, würde von allen Seiten trotzdem von der MUTTER erwartet, dass sie irgendwas "tut", am besten dem Kind irgendwas befehlen. Schlicht und einfach, weil es sich nicht "gehört". Solche Grenzen sind für die Kinder nicht besonders gut sichtbar, und hier, ja, hier müssen wir manchmal vermitteln, für Nichterzieher ist das oftmals eine große Herausforderung (aber dafür haben wir ja in anderen Bereichen keine Probleme). Aber auch das geht "nichterzieherisch", wie, dafür habe ich ja neulich schon Vorschläge gemacht.

***Klingt irgendwie ein wenig konfus, was ich hier so von mir gebe... Ich hoffe, ihr versteht mich trotzdem?!***

Ich denke schon, aber ich kann natürlich nicht sicher sein. Vielleicht erkennst du es an meiner Antwort, ob du verständlich warst? :)

***Hier ein paar weniger konfuse Sätze, geklaut auf "eltern.de", die in etwa meine Gedankengänge widerspiegeln:***

Da würde ich auch noch gerne kommentieren:

***Jedes Kind braucht Freiheit und Freiraum. Aber es muss auch wissen, wie weit es gehen kann. Grenzen sind notwendig -***

Ich würde sagen, es WIRD wissen, nicht "muss", wie weit es gehen kann. Wenn man "muss" sagt, spricht man ihnen die Kompetenz ab, sich selbst –natürlich mit unserer Hilfe, wenn sie diese anfordern bzw. signalisieren, dass sie diese brauchen– in die Gesellschaft einzugliedern und ihre Regeln samt deren Bedeutung (nicht nur: das korrekte Verhalten dazu) kennen zu lernen. Da sie nicht "kompetent" genug sind, MUSS das durch irgendwelche Maßnahmen erreicht werden, möglichst schnell, bevor das Fenster, wo wir den meisten Einfluss haben, sich vershließt!

WIRD klingt doch schon viel eher nach Vertrauen, oder?


*** * um das Kind vor Gefahren zu schützen. Es muss Schranken möglichst frühzeitig kennenlernen - ob es sich um die Bordsteinkante handelt oder um die Herdplatte;***

"Frühzeitig", das finde ich immer doof, weil es einfach nur Panik macht. Es WIRD die "Schranken", die es nun Mal in jeder Gesellschaft gibt, kennen lernen. Und es wird weder "zu spät" irgendwas lernen, noch muss es irgendwas "frühzeitig" lernen, es wird alles lernen, genau zum richtigen Zeitpunkt, nämlich, wenn es wichtig ist und er/sie fähig dazu ist. Wie mit dem Krabbeln, Laufen, Sprechen.

*** * um ihm die legitimen Bedürfnisse der Eltern klarzumachen - mag dies das halbes Stündchen Ruhe sein, das die Mutter am Tag braucht oder die Unversehrtheit von Vaters Hifi-Rack;***

Natürlich sollte es das wissen. Man würde sich ja total verstellen, wenn man seine eigenen Bedürfnisse zu 100% runterfährt. Man würde auch total unglücklich.

*** * um ihm zu erleichtern, sich in einer unübersichtlichen Welt zu orientieren.***

Das wäre das "vermitteln", der für das Kind nicht nachvollziehbaren Regeln. Viele Eltern haben allerdings Angst, dass wenn sie nicht "frühzeitig" anfangen, sämtliche Regeln "anzutrainieren", ihre Kinder das niemals lernen würden. Daher würde ich hier mit Vorsicht rangehen.

***Kinder wollen sogar Grenzen.***

Sie erwarten sie regelrecht. Es gibt halt Grenzen, so ist es einfach. Man muss keine noch hinzufügen (Um 20:00 ins Bett, Gegessen wird nur in einem bestimmten Zeitfenster, PC-Spiele nur eine halbe Stunde...)

***Zu viel Freiheit macht auch Angst.***

Zu viel? Wie kann man "zu viel" Freiheit haben? Entweder man ist frei, oder eben nicht. Viel oder wenig geht eigentlich gar nicht, aber natürlich weiß ich, was gemeint ist. Aber eigentlich, ist die Freiheit auch nur ein bisschen eingeschränkt, ist es keine Freiheit mehr.

Allerdings gibt es NATÜRLICHE Grenzen, die jede Freiheit auf ganz natürliche Weise "einschränken". Nur bewusste Einschränkung verletzt die Freiheit. Ansonsten endet 1. die Freiheit da, wo die Freiheit des anderen anfängt – die Einhaltung der Grenzen anderer sind also immer Voraussetzung für mein freies Handeln und 2. ist meine Freiheit ja auch immer durch gegebene, meist äußere Umstände begrenzt: Meine Haut reagiert auf bestimmte Begebenheiten, manche Dinge sind lebensgefährlich, die Straßenbahn kommt nur zu bestimmten Zeiten, die Läden machen um 8 Uhr zu, Sonntags kann man grundsätzlich nicht einkaufen gehen, mein Körper wächst, meine Wohnung ist nicht unendlich los, die Nutella ist alle etc. etc.

Was Angst macht, ist Entscheidungen treffen zu müssen, für die man noch nicht bereit ist. Nichterzieher überfordern ihre Kinder natürlich nicht mit Entscheidungen. Sie sehen einfach nur, wann sie gewisse Entscheidungen übernehmen WOLLEN und trauen ihnen das zu, natürlich immer mit schützenden Augen, wir passen auf, dass nichts passiert.

***Von Natur aus lebhafte, quecksilbrige Kinder brauchen mehr Grenzen als ruhige und beobachtende.***

Das finde ich gar nicht. Gerade die lebhaften brauchen WENIGER Grenzen, wenn wir hier von den willkürlichen Grenzen reden, die sich Erwachsene so gerne ausdenken. Ansonsten haben sie ja die gleichen Grenzen wie alle anderen auch. Den ruhigen beobachtenden Kindern machen weniger oder mehr Grenzen einfach nichts aus.

***Manche Kinder sind Worten nur schwer zugänglich, andere reagieren schon auf die leiseste Warnung. Nur wer sein Kind genau beobachtet, kann angemessene Grenzen ziehen.***

Warum müssen denn Grenzen auf das Kind abgestimmt sein? Entweder es sind Grenzen, oder es sind eben keine! Entweder ich will nicht, dass mein Laptop durch die Gegend fliegt, oder es ist mir egal. Ich brauche das doch nicht anzupassen. Ich kann auch nicht anpassen, ob der Plus um 20:00 oder um 23:00 Uhr zu macht, es ist geradezu irreführend, Grenzen "anzupassen", total realitätsfern.

***Kinder, denen alles erlaubt ist, haben oft zu Recht das Gefühl, sie seien ihren Eltern gleichgültig. Sie können sich auf den Kopf stellen oder provozieren und bekommen von ihnen keine oder unberechenbare Reaktionen.***

Dem kann ich teilweise zustimmen. Natürlich sollten echte natürliche Grenzen nicht überschritten werden, sofern sie wirklich ihren Sinn haben. Wenn Eltern ihre eigenen Grenzen nicht klar machen, werden die Kinder keine Möglichkeit haben, mit Freiheit in realitätsnaher Weise umgehen zu lernen.

***Aus einem Kind wird kein glücklicher Mensch, wenn er nie gegen äußere Widerstände ankämpfen muss.***

Das wäre natürlich nicht besonders gut, wenn Kindern Erfahrungen mit "äußeren Widerständen" (also natürliche Grenzen) verwehrt würden. Man muss dies aber auch nicht forcieren – es ergibt sich von selbst: Lass das Kind doch einfach barfuß rausgehen! Es wird eine GRENZE erfahren – nämlich seine eigene Kälte-Grenze. Wenn es nichts beweisen muss, wird es ganz locker nach seinen Socken und Schuhen fragen, sobald ihm kalt wird. Es kommt mir gerade total irrwitzig vor, dass man lauter Erfahrungen verhindert, die den Umgang mit Grenzen total fördern würden, weil die Kinder die "richtigen Regeln" (natürlich möglichst frühzeitig) lernen sollen, und da sie aber dann keine Grenzen lernen, müssen sie dann andere extra für diesen Zweck eingerichtete Grenzen "gesetzt bekommen".

***Viele Studien haben belegt, dass Kinder, deren Eltern von Anfang an klare Grenzen setzen, ein stärkeres Selbstwertgefühl und mehr Zufriedenheit entwickeln, als Kinder, bei denen das nicht der Fall ist.***

Ich glaube, sie sind nicht wegen der Grenzen zufrieden, sondern wegen der Sicherheit, die diese Eltern ausstrahlen. Alle Menschen sind unzufrieden, wenn sie in einem Flugzeug sitzen, dessen Pilot total unsicher ist. Kinder brauchen enorm viel Sicherheit, da sie uns total ausgeliefert, sie sind total abhängig. Ich finde das ist ein enorm wichtiger Faktor. Ein Kind wird mit Erziehung sehr viel besser klar kommen, wenn die Eltern ganz sicher sind, dass sie das Richtige tun und es sich für sie auch gut anfühlt. Ansonsten ist es nur eine Katastrophe.

***Die Erzieherkunst liegt darin, Kindern mit Wärme und Festigkeit Regeln des Zusammenlebens zu vermitteln und gleichzeitig das Gefühl zu geben, dass nicht ständig über ihren Kopf hinweg entschieden wird, sondern dass sie an vielen Punkten mitreden und oft mitentscheiden dürfen.***

Und die Nichterzieherkunst liegt darin, Kinder mit Wärme dabei zu helfen, das zu tun, was sie eh tun wollen: mit uns als Familie und als Gesellschaft zusammen zu leben, und in Sicherheit (dazu zählt also Umgang mit Gefahren), und gleichzeitig nicht nur "das Gefühl zu geben", sondern es wirklich zu LEBEN, dass nichts über den Köpfen der Kinder – und nichts über egal welchen Kopf in der Familie überhaupt – hinweg entschieden wird, sondern dass sie an ALLEN Punkten mitreden und mitentscheiden dürfen, die sie selbst betreffen und bei denen sie mitentscheiden wollen (sie wollen nicht immer).

Grüße
Johanna
www.unerzogen.de

 
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@solelo

Antwort von Feelix am 15.07.2007, 21:22 Uhr

Hallo Solelo!

Gerade war ich dabei, den Abstand zwischen unseren Ideen zum Umgang mit unseren Kindern gedanklich auszumessen, da fiel mir Dein jüngstes Posting an Aurore ins Auge. Lustigerweise war dieses aufschlußreicher als das, was Du für mich bestimmt hattest ;-)

"Ich glaube, sie sind nicht wegen der Grenzen zufrieden, sondern wegen der Sicherheit, die diese Eltern ausstrahlen. Alle Menschen sind unzufrieden, wenn sie in einem Flugzeug sitzen, dessen Pilot total unsicher ist. Kinder brauchen enorm viel Sicherheit, da sie uns total ausgeliefert, sie sind total abhängig. Ich finde das ist ein enorm wichtiger Faktor. Ein Kind wird mit Erziehung sehr viel besser klar kommen, wenn die Eltern ganz sicher sind, dass sie das Richtige tun und es sich für sie auch gut anfühlt. Ansonsten ist es nur eine Katastrophe."

Ich nehme das für mich jetzt einfach mal als Schlüsselstelle. Hm, natürlich kann ich dem noch eine ganze Menge mehr Gedanken hinzufügen, aber ich bin offen gestanden gerade ein wenig ratlos ... Denn möglicherweise drehen wir uns bald im Kreise und streiten letztlich um Definitionen aus Eurer NE-Begriffswerkstatt. Und das wäre schade! Denn in der "Sache" trennt uns vermutlich weniger, als ich ursprünglich dachte.

Aber vielleicht trotzdem ein Versuch ... achja, ich bin Mutter (nicht Vater - obwohl es den auch gibt und dieser rege teilnimmt am Familiengeschehen ;-) zweier Kinder. Mein Sohn ist drei Jahre, meine Tochter knapp 17 Monate alt.

Kannst Du mit Analogien aus der Tierwelt etwas anfangen? Ich frage, weil ich weiß, daß viele es nicht können ... In der Tierwelt ist ein basales Prinzip der Fortpflanzung der Drang, dem Nachwuchs alles das mit auf den Weg zu geben, was es zu einem Leben ohne seine "Eltern" befähigt. Und das vom ersten Atemzug an. Schritt für Schritt. Jagdzug um Jagdzug, Spiel um Spiel, Kommentkampf um Kommentkampf ... (Letzteres erwähne ich bewußt, um klar zu machen, daß ich die unromantische Seite von tierischer "Erziehung" durchaus vor Augen habe.) Und der Nachwuchs mit seinen Trieben und Instinkten ist wunderbarerweise so ausgestattet, daß er vom ersten Atemzug an lernen "will". Er erwartet Führung. Und er stürzt ins Bodenlose, wenn seine Eltern ihm diese nicht geben (können). Dauert dieser Zustand zu lange, stirbt ein Tierjunges vermutlich, abhängig von den Umweltbedingungen. Nun, damit ist die Analogie leider auch schon an ihre Grenze gelangt, denn zum einen können Tiereltern ihren Nachwuchs nur auf die Welt vorbereiten, die sie selbst vorfinden, während wir qua Reflexion so frei sein dürfen, sie auf eine vorzubereiten, die wir für sie wünschen. Eben indem wir unseren Umgang mit den Kindern bewußt so gestalten, daß er sich von der Umwelt unterscheidet und dabei hoffen, daß dieses "Anderssein" nach Außen ausstrahlt und weiterwirkt. Und natürlich sind die Konsequenzen für ein Menschenkind, das nicht in Sicherheit, an die Nahrungsquelle, ins Leben "geführt" wird, zumindest physisch nicht solch dramatische. Trotzdem kann ich mit diesem Bild viel anfangen. Denn darin stecken für mich zwei Wahrheiten (großes Wort ;-), oder zwei Gedanken, die sich für mich mit jeder Faser meines Seins richtig anfühlen. (Und vielleicht nicht zufällig deshalb, weil es sich um ein Elementargeschehen der uns am nahesten stehenden Lebensform handelt.) Erstens: es ist meine Pflicht, das Kind, das ich auf die Welt gebracht habe, auf ein Leben ohne mich vorzubereiten und zweitens: dieses Kind will lernen und wissen, was es zu einem Leben ohne mich benötigt. Das will es verbal, in Taten oder einfach in Resonanzen auf sein Verhalten hören, sehen, spüren.
Und es stellt für mich keinen Widerspruch dar, daß ich diese Vermittlung so gestalten kann, daß ich stets das Verhalten, nie aber den Persönlichkeitskern dieses mir anvertrauten Wesens meine, wenn ich es kritisiere, bremse, anhalte, umlenke ... oder auch erziehe.

Liebe Grüße, Feelix

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Re: @Feelix...sorry, wenn ich mich einmische

Antwort von SusanneZ am 15.07.2007, 21:49 Uhr

mir fällt zweierlei auf. Du schreibst:
"Erstens: es ist meine Pflicht, das Kind, das ich auf die Welt gebracht habe, auf ein Leben ohne mich vorzubereiten und zweitens: dieses Kind will lernen und wissen, was es zu einem Leben ohne mich benötigt. Das will es verbal, in Taten oder einfach in Resonanzen auf sein Verhalten hören, sehen, spüren."

Vielleicht drehst du 1. und 2. um, dann kommst du mit den NE-lern sicher überein. Eben weil die Kinder lernen wollen, ist jegliches Ziehen überflüssig. Noch viel mehr, dadurch läuft vieles genau ins Gegenteil, weil das Kind einfach Gegenwehr erzeugt. Die Kinder ahmen freiwillig nach, wenn man ihnen den hierzu notwendigen freien Willen lässt und es entwicklungsbedingt so weit ist. Es kommuniziert seinen Willen, seine Bedürfnisse und auf diese sollte man eingehen, indem man unterstützt. Nicht anders rum. Ein (Nachahmungs-) Verhalten aufzwingen, zu dem das Bedürfnis noch gar nicht gewachsen ist.

"Und es stellt für mich keinen Widerspruch dar, daß ich diese Vermittlung so gestalten kann, daß ich stets das Verhalten, nie aber den Persönlichkeitskern dieses mir anvertrauten Wesens meine, wenn ich es kritisiere, bremse, anhalte, umlenke ... oder auch erziehe."

Inwiefern? Bei dir klingt das alles so als ob du ein bestimmtes Ziel hast, zu dem du deine Kinder ziehen, locken oder umlenken willst, sofern sie da mit ihrem eigenen Willen nicht mit deinem übereinstimmen. Was verstehst du unter Persönlichkeit. Für mich fällt unter den Begriff der Mensch als ganzes: seine Bedürfnisse, sein bedürfnisgerichteter Wille, sein Verhalten, seine Einstellung, seine Meinung (hab ich noch was vergessen? vielleicht). Wie willst du das innere und das äußere plausibel trennen? Das äußere entsteht durch das innere! Wenn du das äußere (das Verhalten) kritisierst, kommt bei dem Betroffenen automatisch die Frage auf "was fühle ich falsch, dass ich mich so verhalte? Wie kann ich mich änderen, um mein Verhalten anzupassen? Es wird nicht klappen, sich innerlich zu ändern. Nach außen hin ja. Dabei passiert aber nur, dass die inneren Bedürfnisse, Wünsche sich anstauen - nicht rausdürfen, gebremst werden und irgendwann wie eine Bombe hochgehen. Spätestens in der Pubertät, wo sowieso alles im Umbruch und somit in Bewegung ist.

Was tust du konkret, wenn du es kritisierst, bremst, anhälst, umlenkst ... oder auch erziehst? Oder besser mit welcher Absicht handelst du so? Wenn du eine Absicht damit vertrittst, damit dein Kind später mal...., dann ist das überflüssig. Warum? Beschrieben nach dem oberen Zitat von dir.

LG

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Gerne, SusanneZ :-)

Antwort von Feelix am 15.07.2007, 22:19 Uhr

Liebe Susanne!

Du stellst mir einen ganzen Fragenkatatlog (;-), aus dem ich mir jetzt dreisterweise nur einen Aspekt herauspicken werde. Wenn ich's recht bedenke, steht hier vermutlich pars pro toto.

"sein bedürfnisgerichteter Wille"

Du schreibst da etwas sehr Schönes (ich liebe diesen Ausdruck wirklich :-), was für sich genommen alles andere als trivial ist. "Der bedürfnisgerichtete Wille" ist aus meiner Sicht nämlich nicht schon per se mit den ersten Lebensäußerungen im Kind angelegt. Eher könnte man in der Säuglingszeit - und nun kommt mein Lieblingsvordenker :-), der Kinderpsychologe Rüdiger Posth zu Wort - von "Drang" oder "Beharren" sprechen. Daß daraus im Laufe des weiteren Entwicklungsgangs unter optimalen Bindungsverhältnissen und einem notwendig in Gang gekommenen Loslösungsprozeß sukzessive ein "gerichteter" Wille des älteren Babys, ein - wenn man so will - reifes Wollen wird, bereits das - und wir sind hier also noch weit von Klassikern wie brüllendes Kind im Supermarkt entfernt ;-) - ist ein bestenfalls synchronisiertes Zusammentreffen von eh ablaufenden Entwicklungsschritten auf dem Weg zur autonomen "Selbst"-Werdung des Kindes und der Erziehungsarbeit von uns Eltern. Du willst es konkreter, nicht wahr? ... Du hast völlig Recht, aber hoffentlich auch noch ein bißchen Geduld,ich bleibe dran ...

Liebe Grüße, Feelix

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Re: @Feelix

Antwort von solelo am 16.07.2007, 8:25 Uhr

Hallo Feelix,

obwohl es patzig klingt und ich das aber nich patzig sonder vielleicht eher aus Spaß sage, mag ich sagen:
"Na, wenn du so ein gute Rechtfertigung dafür hast, erziehen zu dürfen, dann ist ja gut" ;-)

Ernsthaft, wenn du dir ganz sicher bist – ich werde und will dich gar nicht "umstimmen". Nur, dass das klar ist, nicht dass du das Gefühl bekommst, ich wollte das :-) Die Diskussion ist trotzdem interessant.

Vorneweg: Ich finde es doch auch sehr wichtig, sich mit der "Begriffswelt" auseinander zu setzen. Viele Begriffe bleiben normalerweise unhinterfragt, eben z.B. Erziehung, Führung, Verantwortung, Pflicht und vieles mehr. Auch darüber unterhalten wir uns manchmal in der Liste, und es bringt soweit ich weiß jede/n unheimlich weiter, Mal gezielt drüber nachzudenken, was er/sie eigentlich so die ganze Zeit sagt ;-)

Z.B. würde ich es nicht als "Pflicht" sehen, mein Kind auf die Welt vorzubereiten. Ich weiß schon sehr gut, was du meinst, aber ich glaube, sobald du es "Pflicht" nennst, bist du schon weit entfernt vom Vertrauen in den Menschen, in seine Lust, sich am Gesellschaftsleben zu beteiligen, in ihm als soziales Wesen, als Mutter, Vater, als Elternteil, der sein Kind auf das Leben vorbereiten WILL, und WIRD, nicht muss. Muss setzt voraus, dass er das eventuell gar nicht will, und wenn das so wäre, dann ist meiner Meinung nach schon enorm viel vorher schief gelaufen, weißt du, wa sich meine?

Pflicht ist insofern auch oft lähmend, gerade für die, für die es eine Pflicht sein "sollte", weil sie es nicht wollen, weil bei ihnen was schief gelaufen ist. Wenn es dann auch noch eine "Pflicht" ist, ist es für diese Personen noch ätzender und z.B. schwerer, die Entscheidung zu treffen, das Kind etwa abzugeben, an Eltern, für die es keine Pflicht sondern eine Wonne wäre. Ich als Kind hätte außerdem ungern Eltern, die mich nur aus Pflichtgefühl aufs Leben vorbereiten, das fühlt sich in etwa an wie ein anerzogenes "Bitte" und "Danke" rein der Form halber, aber ohne Gefühl.

Zur Tierwelt:
Ich kann grundsätzlich, wenn es um dieses Thema geht, wenig mit Analogien zur Tierwelt was anfangen. Denn mir scheint, die "Parteien" nutzen immer nur dann die Analogie, wenn's ihnen passt. Da wird z.B. häufig von "Rudel" gesprochen - damit bin ich z.B. gar nicht so einverstanden, dass wir analog zu Rudelverhalten funktionieren würden. Dann sind Tiere auch sooo unterschiedlich in ihrem Verhalten, manche sind Einzelgänger, manche leben in Gruppen, schon unter Affen gibt es enorme Unterschiede was ihre soziales Verhalten angeht – manche haben Sex wie die Wilden mit jedem und überall, manche haben wiederum nur einen Partner fürs Leben... ich finde das sind enorme Unterschiede, und dann pickt man sich meist nur ganz bestimmte Verhaltensweisen als "Beweis" heraus. Bei deiner Analogie bin ich auch nicht so sicher, ob das ALLE wollen, es gibt etliche Tiere, die sich nach Geburt sofort trennen, oder sogar schon nach dem Gelegt Werden als Ei bereits auf sich selbst gestellt sind.

Abgesehen davon sehe ich bei keinem Tier, dass es seinen Nachwuchs "erzieht" im Sinne von unserer Definition (und da bestehe ich auf die bislang hier geltende Konvention des Begriffs im Sinne von Nichterziehung, es ging um Manipulation, Einschränkung etc.). Ich sehe gerade bei Tieren nur Schutz vor Gefahr und Vorbild, manchmal zusätzlich offensichtliche Liebe – das war's.

Am unfairsten finde ich die Analogie mit den Tieren, wenn manche Erzieher gerne auf Tiere zurückgreifen, um was zu beweisen, aber sehr gerne ignorieren, dass Affen z.B. ausgesprochene "Langzeitstiller" sind – wenn man die Stillzeit auf Menschenjahre umrechnete käme man auf bis zu 6 Jahren. Nicht, dass ich persönlich 6 Jahre lang stillen könnte, bei mir ist die Grenze aufgrund meiner Sozialisation, die ausgesprochen stillfeindlich war, bereits viel früher erreicht (1 Jahr). Trotzdem, Mütter mit älteren Stillkindern werden manchmal angeglotzt und angeprangert als seien sie die schlimmsten Huren aller Zeiten.

Hier übrigens ein toller Artikel über "Erziehung" bei Affen:

http://www.br-online.de/umwelt-gesundheit/thema/liebesstrategien/steinzeitbabys.xml

Ich finde schon, dass du Recht hast, wenn du sagst, Kinder wollen Führung und Eltern wollen gerne führen, um ihre Kinder anzuleiten. Dazu steht auch was auf meiner Webseite:

Folgebereitschaft:

http://www.unerzogen.de/nichterziehung/2006/11/26/folgebereitschaft-statt-gehorsam/

Führungsbereitschaft:

http://www.unerzogen.de/nichterziehung/2006/11/26/elterliche-fuhrung-lenken/

Für mich ist es auf jeden Fall ein Widerspruch, in die natürliche Folgebereitschaft des Kindes durch Zwang, div. Erziehungsmethoden, Kritisieren, Bremsen, Anhalten, Umlenken einzugreifen.

1. Reicht es vollkommen aus, ein gutes Vorbild zu sein und die Kinder nachahmen zu LASSEN (wie oft sagt man: "nein das kannst du noch nicht", "nein, das darfst du noch nicht", "nein das schaffst du nicht", "nein das geht soundso"),

2. Zerstört Erziehung meiner Meinung nach diese Folgebereitschaft, weil Erziehung immer am gegenseitigen Vertrauen nagt und das Kind irgendwann nicht mehr bereit ist, teils aus Misstrauen, teils aus extrem genervt sein, zu folgen - siehe Pubertät (übrigens berichten Nichterzieher durch die Bank weg vom fehlen der extremen Verhaltensweisen, die allgemein von pubertären Jugendlichen erwartet wird). Ich gehe davon aus, dass (bewusste) Erziehung nicht so von der Natur für uns Menschen gedacht war, sonst würden sich die Menschen nicht so sehr dagegen wehren. Meine Tochter wehrt sich überhaupt nicht gegen unseren heutigen Umgang mit ihr. Erscheint mir viel natürlicher und passt auch zu meinem Verständnis des "Warnsystems" Gefühle.

3. Ist es selbstverständlich, dass man durch "Zwang", besser: Umlenken, Bremsen, Anhalten eingreift, wenn Gefahr besteht – das zähle ich aber nicht zu "Erziehung", wie in einem anderen Posting bereits beschrieben.

Wenn es für dich keinen Widerspruch darstellt – dann trennen sich hier wohl unsere Ansichten, das ist OK so. Hauptsache, wir fühlen uns alle Wohl bei dem, was wir tun.

Liebe Grüße
Johanna
www.unerzogen.de

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Re: @Feelix

Antwort von solelo am 16.07.2007, 8:48 Uhr

Ah, endlich ist es mir eingefallen, ich wusste die ganze Zeit, dass ich noch was sagen wollte, aber hatte es zeitweise vergessen.

Ich finde es total komisch, dass du so unbedingt gerne das Verhalten kontrollieren willst, und dabei noch denkst, die Persönlichkeit bliebe dabei erhalten. Das glaube ich ganz und gar nicht.

- Ich glaube, dass Verhaltensweisen immer nur Ausdruck sind, und daher ist das wie bei Krankheiten – willst du lieber an den Symptomen herumdoktorn, oder an den URSACHEN? Es ist doch völlig klar, dass wenn die Ursachen "geklärt" sind, die "richtige" Verhaltensweise nicht weit entfernst ist, und dass dann auch keinerlei "Training" nötig ist, weil das Verhalten nachhaltig beeinflusst wurde, und zwar aus der meiner Meinung nach richtigeren Quelle (von innen, nicht von außen). Für den Betreffenden macht es auch viel mehr Sinn, sein Verhalten nach seinem Befinden zu orientieren, hat er das Problem erkannt, ist es auch viel sinnvoller, das Verhalten anzupassen. Kinder verstehen oftmals überhaupt nicht, WARUM sie irgendwas anders machen sollen!
- Insofern ist es viel wichtiger, nach den Bedürfnissen des Kindes zu schauen. Wir gehen davon aus, wenn alles paletti ist im "Inneren" des Kindes, werden sich die "Äußeren" Verhaltensweisen harmonisch an unser Vorbild orientieren. Nur wenn das Kind unzufrieden ist, wird das Kind "aus der Reihe tanzen" und sich "fehlverhalten".
- Wenn die Verhaltensweisen "umgelenkt", "gebremst", "kritisiert" werden, inwiefern ist dann die Persönlichkeit noch "frei"? Hört sich an nach "mein Kind darf innerhalb gewisser Grenzen frei sein" (ich nehme an, hier geht es um von Seiten der Eltern gesetzte Grenzen, nicht die natürlichen Grenzen, die ich meine) – warum genau soll das für die Entwicklung der PERSÖNLICHKEIT gut sein? Scheint mir nur fürs Verhalten gut zu sein... Bei Kritik & Co muss sich das Kind doch auch ständig fragen, ob es denn im Innneren noch "richtig" tickt, dass es sich so "falsch" verhält, dass jemand VON AUSSEN eingreifen muss durch diverse Maßnahmen, die es gar nicht will.... Wie bleibt da die Persönlichkeit unbeeinflußt? Ein Erziehen am Verhalten ist immer auch eine bewusste "Menschenformung", und kommt daher für mich nicht in Frage. Das Kind ist kompetent genug, selbst ein Mensch zu sein/werden, sich selbst zu orientieren – dass es unser Hilfe braucht und will, ist ja klar. Es wird sich schon melden.

Ich kann wohl nur aus Erfahrung sprechen: Verhaltensorientierung bringt nur Ärger und Widerstand, es sei den das Kind passt sich einfach an die Gegebenheiten an. Hm, ich merke gerade, ich kann gar nicht richtig erklären, warum ich das so schlecht finde. Vielleicht ein ander Mal.

Grüße
Johanna
www.unerzogen.de

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@solelo

Antwort von Feelix am 16.07.2007, 9:15 Uhr

Liebe Solelo!


Oje, ich bräuchte wohl zwei Wochen Kinderurlaub, um auf all Deine Gedanken einzugehen. Du breitest hier einen ganzen Argumenationsteppich aus (auf dem ich mich stellenweise übrigens sehr wohl fühle, der mich andernorts wiederum fragend zurückläßt ;-) Aber so gehört es sich wohl für einen lebendigen Diskurs :-))

Jetzt nur soviel: ich glaube, Kinder - je jünger, desto interessierter - "lesen" uns immer, ob wir das wollen, oder nicht, sogar wenn wir diesen Mechanismus bewußt unterlaufen wollen, geschieht es. Hast Du schon einmal aus den Augenwinkeln Dein Kind beobachtet, wenn es Dir bei einer Handlung zuschaut, die es für ungewohnt oder neu hält, die es so nicht an Dir kennt? Wenn Du mal so völlig "aus dem Rahmen fällst", z. B. fröhlich durch die Wohnung tanzt?! Und genauso lesen mich meine Kinder, wenn Sie Spiegelungen ihres Verhaltens in meinem Agieren sehen (ich meine sogar, bis hin zur Grenze zum Pubertätsalter nach ihnen suchen).
Oder anders ausgedrückt: wenn ich von Erziehung als im allergemeinsten Sinne: "Resonanzen auf das Verhalten von Kindern" spreche, meine ich noch das kleinste entfleuchte Stirnrunzeln, mit dem ich etwa unbewußt quittiere, daß meine Tochter gerade den Geschmack unseres ficus benjamini testet. (wobei ich mich gerade hier, also bei sämtlichen - nicht lebensbedrohlichen - Explorationsversuchen meiner Kinder, mit "bremsen, anhalten, umlenken" vollkommen zurückhalten würde, das nur nebenbei). Von diesen Überlegungen ausgehend, frage ich mich gerade, welche Anstrengungen Ihr NEs unternehmen müßt, um zu verhindern, daß Eure Kinder Euch in Euren (leisen, nonverbalen, mimischen ... ich hoffe, Du weißt, was ich meine) Bewertungsreflexen lesen.

Liebe Grüße, Feelix

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Re: @Aurore

Antwort von Aurore am 16.07.2007, 10:39 Uhr

Hallo Solelo,

vielen Dank für Deine ausführliche Antwort!

Ich glaube im Grundverständnis dessen, was wir unter einem Leben mit Kindern verstehen, unterscheiden wir uns gar nicht sooo sehr.

Nur zum Beispiel: Aller Warnungen meiner lieben Verwandtschaft zum Trotz ("Du verwöhnst sie ja jetzt schon", "Du kriegst sie nie wieder aus eurem Schlafzimmer", "Wieso stillst Du sie denn schon wieder, sie hat doch noch gar nicht geschrien - so kriegst du sie nie von der Brust", ...) wird meine Tochter nach Bedarf gestillt, schläft zu IHREN Zeiten (die sich inzwischen erfreulicherweise ganz gut eingependelt haben :-) ) und wird NIE schreien gelassen. Und das nicht, weil ich es in irgendeinem Erziehungsratgeber gelesen hätte, sondern weil ich meinem Bauchgefühl folge! Und ich hoffe, dass dieses Bauchgefühl mir helfen wird, auch in den nächsten Jahren die Bedürfnisse meines Kindes zu erkennen und adequat auf sie einzugehen.

Allerdings wird meine Tochter in bestimmten Situationen auf mich hören MÜSSEN, und dies nicht, weil sie Angst vor den Konsequenzen eines Nichtbefolgens meiner Wünsche fürchten müsste, sondern weil - so hoffe ich jedenfalls - sie mir in diesem Moment vertrauen wird. Natürlich setzt das voraus, dass sie in vorhergegangenen Situationen dieses Vertrauen aufbauen konnte ("Mama hat gesagt, dass es draußen kalt sei und es ist tatsächlich so").

Ebenso wird sie hoffentlich gewisse Regeln des Zusammenlebens akzeptieren können ("Mama kocht, Papa bringt den Müll runter, Laura hilft dabei den Tisch zu decken") und auch, dass ein Nichtbefolgen gewisser Regeln ("Wir essen jetzt") Konsequenzen haben wird ("Mama kocht jetzt nicht extra etwas Neues für Laura, sie wird sich mit einem belegten Brot zufrieden geben müssen")

So stelle ich es mir zumindest jetzt in der Theorie vor. Wie an anderer Stelle bereits erwähnt, ist meine Tochter zarte 12 Wochen alt...

Ist das jetzt Erziehen oder Nichterziehen? Keine Ahnung, und solange wir als Familie so gut leben können, ist es mir - ehrlich gesagt - auch ziemlich egal ;-)

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Re: @solelo

Antwort von solelo am 16.07.2007, 13:07 Uhr

Hallo Feelix,

**Von diesen Überlegungen ausgehend, frage ich mich gerade, welche Anstrengungen Ihr NEs unternehmen müßt, um zu verhindern, daß Eure Kinder Euch in Euren (leisen, nonverbalen, mimischen ... ich hoffe, Du weißt, was ich meine) Bewertungsreflexen lesen. **

Ich verstehe nicht so ganz, was du meinst. Wie verhindern wir, dass sie nicht mitkriegen, was wir für Meinungen haben? bzw. Welche Anstrengungen unternehmen wir, um nichts mehr zu bewerten? Sind das deine Fragen?

Gruß
Johanna

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Re: @solelo

Antwort von Feelix am 16.07.2007, 13:30 Uhr

Hallo Solelo!

Ja, in etwa diese Fragen meine ich ...

Und schon würde ich gerne auf einen weiteren Punkt eingehen -- behagt Dir dieses Tempo unseres "Austausches"? (bei dieser bescheidenen Absichtserklärung können wir gerne beide bleiben ;-)
Gib zu verstehen, wenn nicht, dann können wir uns für einzelne Punkte gerne mehr Raum und Zeit lassen. Umständehalber wird das nun sowieso der Fall sein müssen, denn ich bin jetzt erst mal weg :-))


Du schreibst: "Ich finde es total komisch, dass du so unbedingt gerne das Verhalten kontrollieren willst, und dabei noch denkst, die Persönlichkeit bliebe dabei erhalten. Das glaube ich ganz und gar nicht."

Ich sprach von Verhalten "kritisieren, bremsen, anhalten, umlenken" - das ist mein Part der erzieherische Interaktion. Dazu addiert werden muß nun das, was das kind im weiteren daraus macht. Verhaltenskontrolle ... hm, ich sehe das zunächst ergebnisoffener, aber in gewisser Weise hast Du Recht: eine Verhaltensbeeinflussung ist es wohl. Daß eine Verhaltensbeeinflussung auch so gestaltet werden kann, daß mein Kind erkennt, daß ich damit die Handlungsebene seines Tuns meine, aber/und seinen auch von meinem Erzieherinnenstandpunkt aus schützenswerten Persönlichkeitskern
bewahren möchte, halte ich weiterhin für eine Widerspruchsfreie Behauptung. Letztlich ist dies übrigens ein Vorgang, der mir nahezu täglich widerfährt. Meine Nachbarin bat mich kürzlich freundlich, die Kinder mit ihren Dreirädern nicht mehr auf dem Gras fahren zu lassen, da die frisch eingesäten Grassamen sonst kaputt gehen könnten. Ich empfand ihre Bitte - oder die Kritik meines bisherigen Verhaltens, nämlich die Kinder gedankenlos auf der Wiese fahren zu lassen - wohl so, daß sie damit eine Änderung meines Handelns anbahnen mochte, nicht aber so, daß damit meine Gedanken zur Welt, mein spezifisches In-der-Welt-sein, meine persönlichkeitsbildenden Merkmale - tangiert wurden (ich unterstelle: noch nicht mal werden sollten). Oder anders ausgedrückt: meiner Nachbarin war letztlich egal, ob ich meine Kinder auf eine schüchterne, offensive,aggressive, defensive, selbstsichere ... Weise dazu
bringe, vom Dreiradfahren auf der Wiese abzulassen. Und so ist es mir auch egal, ob meine Kinder auf eine schüchterne, offensive, zielstrebige, verträumte (... ich glaube, Du weißt, worauf ich hinauswill) Weise zu einer
Uhrzeit zu Bett gehen, die die biochemischen Zusammenhänge dieser (im unterschied zu unseren erwachsenen Körpern) unreifen Organismen nicht völlig außer Acht läßt.
Hui, die Bettgehzeit -- ich weiß ein Minenfeld in Internetforen ;-)
Ich meine, um in sozialen Bezügen innerhalb unseres mitteleuropäischen Lebenszusammenhangs leben zu können, bin ich sogar darauf angewiesen, diese Trennung - Handlungsebene / meine spezifischen Persönlichkeitsmerkmale - vornehmen zu können, je souveräner mir dies gelingt, desto weniger Reibungsverluste gibt es im sozialen Verbund. Diese Einsichten sind im übrigen alles andere als exklusiv, soweit ich weiß, arbeiten Eheberater/Konfliktberater seit
langer Zeit recht erfolgreich mit diesem Verständnis von Kommunikation. Jetzt wo ich dies schreibe, denke ich auch, daß Du, solelo, mir im "echten Leben" :-) wahrscheinlich affektiv als ein sympathischer Mensch erscheinen würdest (ich kann es mir seltsamerweise nicht anders vorstellen ;-), obwohl uns eine ganze Ideenwelt trennt!! Ist das nicht hochinteressant? Ich kann sogar die Gedankenwelt eines Menschen negieren, seinen Persönlichkeitskern aber rundum mögen. Wieviel leichter fällt es mir da wohl, mich kritisch mit Verhaltensweisen eines Menschen
auseinanderzusetzen, und dabei seinen Persönlichkeitskern trotzdem zu mögen, nein - bei meinen Kindern würde ich
sogar sagen, zu lieben ;-)

Liebe Grüße, Feelix

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Re: @solelo

Antwort von solelo am 16.07.2007, 17:57 Uhr

Für heute auch mein letztes Posting, die Große ist von der Schule zurück :-)

Ich glaube, wir reden ein bisschen aneinander vorbei und meinen zu Teilen das selbe. Das hat mit den vielen Missverständnissen zu tun, die in solchen Diskussionen auftauchen.

Ich brauche nicht zu vertuschen, dass ich eigene Meinungen habe, ich muss mich auch nicht anstrengen, keine Meinung zu haben; ich muss nicht verhindern, dass sie meine "Bewertung" lesen. Das fällt für mich unter die unbewusste Beeinflussung, die viele hier auch "Erziehung" nennen, die ich nicht abstellen kann und will. Ich werde mich nicht total verbiegen. Was anstrengend ist, ist Gewohnheiten abzulegen, wie Nörgeln und "Hab ich schon tausend Mal gesagt" etc.

Ich kann doch eine Meinung haben! Ich bin sicher, das beeinflusst die Kinder, genauso wie viele andere Dinge im Leben die Kinder beeinflussen werden. Aber wenn ich noch zusätzlich erziehe und ständig somit eine Erwartungshaltung rüberbringe, dass sie sich aufgrund meiner Meinung ändern müssten, weil sie ansonsten gar nicht richtig "ticken" – und das tut man halt durch Verhaltenskontrolle: Dein Verhalten ist falsch – du bist falsch. Dann "klingt" auch schon ein "Augenbrauen hochziehen" nach einer Aufforderung, endlich richtig zu ticken, bzw. wenigstens das Verhalten zu ändern. Wir hatten doch neulich hier den Fall der Mutter, die "nur zu gucken" brauchte, das Kind hat sofort pariert. Sie fragte sich dann, ob sie zu streng sei. Ich kann bei meiner Tochter so viel meine Augen verdrehen, wie ich will, es ist und bleibt meine Meinung (normalerweise, siehe unten) – sie muss nichts ändern. Sie KANN und TUT es oft, weil sie es will. Ich KANN und TUE es oft, weil ich es will. Wir passen uns einander an, weil wir zusammen leben WOLLEN und das Voraussetzung ist für ein reibungsloses Zusammenleben.

Insofern kann ich dann auch endlich verstehen, wie du Verhalten kritisieren, bremsen und anhalten kannst, ohne die Persönlichkeit zu berühren. Es gibt aber auch Kritisieren und Kritisieren, Bremsen und Bremsen. Es kommt immer drauf an, wie man es sagt, was man genau sagt, warum mit welcher Absicht etc. Ist die Absicht der Menschenformung mit dabei, ist es auf jeden Fall für meine Begriffe Erziehung und schädlich für die Beziehung zwischen Eltern und Kind. Ist die Absicht lediglich besser zusammen zu leben, weil mich z.B. einfach stört, dass meine Tochter die Handtücher liegen lässt, dann kann ich "kritisieren", wir können uns natürlich auch einfach unterhalten und eine Lösung finden.

Ein Beispiel aus jüngster Vergangenheit: Ich habe ja früher meine Tochter ziemlich streng erzogen. Ich habe zum Teil auch nur mit den Augenbrauen zucken müssen, sie wusste, was ich meine und will – nicht, dass sie es immer ohne "Drama" getan hätte. Am Ende wirkte meistens abzählen (Oh Gott, wie furchtbar...), ich war sogar immer wieder vergnügt, dass es so gut klappte – bei "2" war sie bereits auf dem Weg. Es ging dann immer so: "Ich zähle jetzt bis 3; 1...., 2...., ..." Damals fand ich es besonders "lustig" (schlimm, echt!!!), dass noch nicht Mal ich wusste, was nach der 3 passieren würde, wenn sie es nicht täte. Es war noch nie so weit gekommen, aber anscheinend war sie schon ziemlich eingeschüchtert :-(

Wie auch immer – die grobe "Übergangsphase" haben wir ja schon länger hinter uns, aber es gibt noch ein paar Feinheiten und Reste aus Erziehungszeiten, die immer noch nachwirken. So bin ich sicher, wenn wir uns wieder vollends vertrauen können, dass ich einfach meine Meinung sagen kann, und diese nicht als "Erziehung" von meiner Tochter (8) gedeutet wird (obwohl es keine ist). Aber zur Zeit ist es noch nicht zu 100% so. Vielleicht schaffen wir es nie, komplett zu "heilen". So habe ich neulich z.B. gesagt "mir gefällt dein Ton nicht". Es war vollkommen ohne Erwartungshaltung – sie sollte ihren Ton gar nicht ändern, sie hatte allen Grund dazu, so einen Ton zu haben und das respektierte auch, und es war keine "Aufforderung". Hintergrund war, dass sie wegen irgendwas sauer/traurig war, und zu mir rübergewatschelt kam und irgendwas total patzig fragte. Ich antwortete, war aber selbst schon gestresst und genervt von der Situation, habe dann auch patzig geantwortet. Dann war sie total beleidigt, warum ich SO mit ihr reden würde. Ich sagte, lediglich als Erklärung "mir gefällt dein Ton nicht". Dies erinnerte sie an ihre Lehrerin, die das wohl öfter sagt, sie zieht aber dabei die Augenbrauen hoch und verlangt also gleichzeitig implizit, ohne es zu sagen, dass man seinen Ton ändere. Sie war total sauer auf mich, dass ich so mit ihr reden würde, ich würde sie ja doch erziehen (wir reden ganz offen über das Thema) und so weiter. Ich meinte, es wäre einfach nur eine Erklärung, sie stürzte sich in Rechtfertigungen, die gar nicht verlangt gewesen waren: "Ich kann doch nichts dafür, ich bin halt sauer, für meine Gefühle kann ich nichts, und wenn ich dann halt patzig bin..." etc. Es war ihr nicht verständlich zu machen, dass ich ganz genau das gleiche Problem hatte: Ich konnte nichts dafür, ihr Ton hatte mich halt auch genervt, etc. Sie ist einfach noch nicht so weit, die Erziehung, die "genossen" hat, nagt noch sehr an ihr. Sie war verletzt, weil sie es nicht verstanden hatte, dass es "nur" eine Meinung war. In anderen Bereichen lässt sie meine Meinung entweder völlig kalt oder sie lässt ihre eigene davon bereichern. Für mich ist beides OK, sofern ich sicher sein kann, dass ich meine Information und manchmal auch Meinung abgegeben habe, damit sie in der Lage ist, kompetente Entscheidungen zu treffen. Aber in diesem Bereich war es einfach noch zu nah an in der Schule gemachten Erfahrungen mit Erziehern, unterscheiden kann sie es halt noch nicht immer, vor allem weil ICH ja auch schon mal so war. Es liegt nahe zu befürchten, ich könnte wieder "rückfällig" werden.

Schön wäre es natürlich, würde man von Anfang an so ehrlich und ohne (verlangende) Erwartungshaltungen miteinander umgehen. Kinder würden nicht an ihren eigenen Gefühlen und an ihrer Persönlichkeit zweifeln. Sie könnten sich aus den Meinungen anderer einfach das herauspicken, was sie brauchen. Sie müssten niemandem etwas beweisen.

Insofern ist es doch manchmal anstrengend, wenn man nämlich nicht von Anfang an einen solchen gleichberechtigten Umgang pflegte, sondern mitten drin angefangen hat. Ich musste in der Übergangszeit sehr viel zurücknehmen und viele meiner Meinungen zugunsten unserer Beziehung für mich behalten. Sie hätte es nur falsch gedeutet und wir hätten drüber gestritten. Heute geht es schon besser, aber es ist ja noch nicht lange her, dass wir angefangen haben. Es gibt doch ab und zu Situationen wie oben beschrieben, wo ich merke, dafür war sie noch nicht bereit. Ich glaube nicht, dass das passiert, wenn man von Anfang an respektvoll miteinander umgeht. Jeder, der mitten drin anfängt, kann mit einer mehr oder weniger anstrengenden Eingewöhnungszeit für alle rechnen...

Grüße
Johanna
www.unerzogen.de

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Re: Gerne, SusanneZ :-)

Antwort von SusanneZ am 16.07.2007, 19:17 Uhr

In meinen Augen spürt ein Baby ein Bedürfnis bzw. stellt erstmal nur einen Missstand fest und kommuniziert diesen. Nun ist die Babysprache wenig ausgefächert im Gegensatz zur Erwachsenensprache. Von daher muss man probieren, welches Bedürfnis es hat. Ist es gestillt, verschwindet der Missstand und das Baby ist wieder zufrieden. Später wird dies in meinen Augen schon komplexer - aus dem Bedürfnis heraus entwickelt sich ein Wille. Sprich das Kind empfindet ein Bedürfnis und will aufgrunddessen etwas bestimmtes. Die ersten Schritte zur Selbstbefriedigung der eigenen Bedürfnisse? Dass der Wille noch nicht gelenkt werden kann, liegt einfach daran, dass er noch im Anfang steckt und das Kind erstmal selbst damit umgehen lernen muss. Und das durch ausprobieren - immer wieder mit dem Kopf durch die Wand bis der Wille lenkbar wird. Aber wie soll Erziehung durch zielgerichtetes/absichtliches Lenkung oder andere verhaltenssteuernde Maßnahmen hier wirklich hilfreich sein? Über Gefahren brauchen wir nicht diskutieren - klar, dass ein Kind was gerade auf die andere Straßenseite will und Autos kommen, nicht drüber laufen "darf". Ich meine Alltagssituationen, wie "ich will aber den Becher nicht das Glas", "ich werfe tausend mal den Teddy runter und will jedesmal, dass Mama ihn mir aufhebt" oder "ich möchte noch nicht ins Bett" "ich will keinen Apfel essen". Ich bin überzeugt, dass Kinder fähig sind Ihre Bedürfnisse zu erkennen (auch wenn sie sie nicht beschreiben können, das ist schon ein höherer Schritt), nur sind sie noch etwas ungeschickt/unflexibel in der Befriedigung Ihrer Bedürfnisse. Aber gerade deshalb sollte man sie die Erfahrungen mit ihrer Bedürfnisbefriedigung machen lassen, solang es nicht direkt gefährlich ist.

Ich hoffe du wolltest in diese Richtung - ansonsten habe ich dein Posting falsch verstanden. Falls ich dich falsch verstanden habe, dann schreib nochmal.

LG

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Re: Gerne, SusanneZ :-)

Antwort von Feelix am 16.07.2007, 19:57 Uhr

Grüß' Dich Susanne!

Im Posting: "@Susanne,ich versuch's mal konkreter" habe ich mich bemüht darzulegen, was Du Dir unter typischen Erziehungssituationen in unserer Familie vorstellen kannst. Ansonsten hatte ich heute bereits mit solelo weiterführende Gedanken zu Erziehung (auch zu dem Dich interessierenden Punkt: kann ich verhaltenssteuernd wirken, ohne den Persönlichkeitskern meines Kindes zu treffen?) erörtert, wenn Du magst, nur zu ... :-)

Liebe Grüße, Feelix

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Re: Gerne, SusanneZ :-)

Antwort von SusanneZ am 16.07.2007, 20:17 Uhr

Naja, ich glaube eher wir würden uns jetzt nur noch gegenseitig überzeugen wollen und ich denke, dann ist es kein fördernder Austausch mehr - für beide Seiten. Aber wenn du noch etwa loswerden möchtest, nur zu. Ich werde voraussichtlich erst morgen wieder zum Antworten kommen, aber das stört ja nicht zwingend.

LG

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Re: Gerne, SusanneZ :-)

Antwort von Feelix am 16.07.2007, 20:46 Uhr

Da decken sich unsere soeben gesendeten Postings nicht nur im Zeitpunkt ;-)

Liebe Grüße, Feelix

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