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Was haltet Ihr von intuitiver Erziehung - rein nach Bauchgefühl?

Thema: Was haltet Ihr von intuitiver Erziehung - rein nach Bauchgefühl?

Huhu, was meint Ihr, kann man Kinder besser erziehen, wenn man viel weiß über ihre Entwicklung und wenn man auch Erziehungsratgeber liest - oder wenn man einfach auf sein Bauchgefühl hört und gar nichts Theoretisches dazu liest? Das frage ich mich immer wieder einmal, und im Freundeskreis sind diese beiden Arten von Müttern oft sehr intolerant gegenüber den anderen: Die einen halten nix von Ratgeberbüchern, die anderen schwören drauf. Ich meine, wenn man rein aus dem Bauch heraus erziehen könnte, gäbe es nicht so viele Kinder, bei denen in der Erziehung etwas schief läuft (überverwöhnte oder überstreng erzogene Kinder usw.). Man lernt ja z. B. auch nicht intuitiv Autofahren, sondern muss einen Führerschein machen und Theorie pauken. Und sind Kinder nicht sogar viel komplexer als Autos, so dass man auch hier etwas Theorie-Wissen braucht? Andererseits funktionieren die Ratschläge aus dem Büchern oft nicht (Schlafen nach Stoppuhr, Kinder lernen aus den Folgen usw.). Hach, ich weiß auch nicht. Würde mich über Meinungen freuen! LG

von Bela66 am 17.01.2013, 09:43



Antwort auf Beitrag von Bela66

Hallo, ich denke, eine Mischung aus beidem ist sinnvoll. Meines Erachtens kann man gar nicht völlig intuitiv handeln, da wir in einer Gesellschaft leben, durch die man automatisch beeinflusst wird, sei es durch Personen im Umfeld, deren Meinung und Verhalten man mitbekommt, sei es durch Werbung, Fernsehen oder gesellschaftliche Normen, die einem Wandel unterliegen (früher war Schlagen ein gängiges Erziehungsmittel, heute ist es verboten). Ebensowenig kann man sich ausschließlich auf das Theoriewissen von Experten verlassen, weil dabei das Individuum Kind zu kurz kommt. Was bei einem Kind hilft, kann beim anderen total nach hinten losgehen. Ich finde, man sollte offen sein für alles, was von außen kommt, sich dann aber eine eigene Meinung bilden und INTUITIV den für sich und seine Familie besten Weg heraussuchen. Es ist ja immer auch die Frage, womit man sich identifizieren kann und welche Ratschläge man umzusetzen bereit ist. Es gibt eben kein Richtig und kein Falsch, sondern jeder lebt, handelt und erzieht so, wie er es für sich veranworten kann, mit allen Konsequenzen, die das nach sich zieht. Von daher kann ich solches Müttergezicke "wer macht es besser" überhaupt nicht nachvollziehen. LG Anja

von ansaluli am 17.01.2013, 10:07



Antwort auf Beitrag von Bela66

o.T.

von M. am 17.01.2013, 11:33



Antwort auf Beitrag von Bela66

Ich war mal beruflich bei einem Vortrag eines (tollen) Kinderpsychologen. Es ging eigentlich um Kindesvernachlässigung, er hat aber auch sehr viel über die kindliche Entwicklung erzählt. Laut ihm (und das finde ich absolut nachvollziehbar) ist das Schwierige an der Erziehung rein nach Bauchgefühl, dass einige Leute kein "gesundes" Bauchgefühl haben, weil in der eigenen Entwicklung und Erziehung etwas nicht ideal gelaufen ist (was den meisten Leuten aber nicht bewusst ist). Deshalb brauchen viele Leute wirklich Hilfe und Beratung in Erziehungsfragen. "Gefährlich" wird es dann, wenn diese Leute sich auf einzelne Bücher und deren Vorgaben fest einschießen, obwohl die dort beschriebenen Methoden einfach nicht auf das jeweilige Kind (und oft auch die Eltern) passen. Zum Beispiel solcher Schwachsinn wie "Jedes Kind kann schlafen lernen". Das mag für ganz wenige Härtefälle passen, aber das muss dann schon ein großer Zufall sein. Ich behaupte von mir, dass ich ein ganz gutes Bauchgefühl habe. Bei uns läuft die "Erziehung" eher nebenbei, sehr intuitiv. Wir Eltern hatten eine sehr glückliche Kindheit und haben uns gut entwickelt. Ein paar Schwachstellen (z.B. meine übermäßige Schüchternheit als Kind) sind mir bewusst, und in dem Bereich versuche ich gezielt, bei meiner Tochter (die mir sehr ähnlich ist) sanft dagegen anzuarbeiten. Bisher läuft es super. Sie ist fast 7 Jahre alt und ein tolles, selbständiges, verständiges, liebevolles Kind. Bücher habe ich bisher keine gelesen, weil ich es nicht für nötig erachtete. Es hilft aber ungemein, hier im Forum (egal welches Unterforum) mitzulesen. Das relativiert manche eigene "Probleme" und bestärkt mich auch oft in meinen Entscheidungen. Als Beispiel kann ich unsere "Schlafproblematik" nennen. Wir sind (angeblich) weit und breit die Einzigen, deren Kind nicht ab 1 Jahr problemlos im eigenen Zimmer schlafen wollte. Meinem Mann wurde von einem Kollegen das o.g. JKKSL-Buch nahe gelegt. Die Methode hätte bei ihnen Wunder gewirkt. Da ich über das Buch hier schon gelesen hatte, habe ich den Blödsinn gleich abgeschmettert und meinem Mann erklärt, dass das für uns nicht in Frage kommt. Und durch das Forum weiß ich auch, dass wir eben NICHT die Einzigen sind, deren Kind nicht nach Schema F funktioniert. Ich hätte auch sonst nie mein Kind nachts alleine schreien lassen. Aber durch das Forum weiß ich, dass mein Bauchgefühl richtig war. Und das hilft auch, um sich gegen all die "wohlmeinenden" Ratschläge von außen durchzusetzen. Gegen Bücher, die sich allgemein (ohne starre Zeitangaben) mit der Entwicklung von Babys und Kindern beschäftgen, ist nichts einzuwenden. Wenn ich nochmal ein Baby bekommen sollte, werde ich mir evtl. "Babyjahre" von Largo (?) anschaffen. Ich hab meine Tochter zwar auch ohne Bücher ganz gut "hinbekommen", aber schaden kann so ein Einblick auch nicht. Und spannend ist die Entwicklung eines Kind ja sowieso.

von Häsle am 17.01.2013, 11:36



Antwort auf Beitrag von Häsle

uns auch. Ich sage immer, ich erziehe ihn gar nicht, ich versuche nur mit ihm zu leben. Dazu gehört natürlich, dass ich ggf. auf ihn einwirke, dass alle in der Familie gut miteinander leben können und ich ihm das notwendige Rüstzeug für das eigenständige Leben mitgebe. Aber das passiert eben eher nebenbei, ohne ein Konzept im Hintergrund.

von Silke11 am 17.01.2013, 12:17



Antwort auf Beitrag von Häsle

Ich unterschreibe bei Häsle. Das meiste funktioniert bei mir intuitiv. Ich habe aber bei Problembereichen auch Anregungen aus Erziehungsratgebern geholt, wenn es passte. "Oje ich wachse" war für mich bspw. totaler Schrott, aber ich habe aus dem amerikanischen Äquivalent zu JKKSL ("On becoming Baby Wise") sehr viel herausziehen können, weil es für uns wichtige Tipps zur Tagesstruktur gab. Dazu muss man nicht das ganze Buch befürworten. Lesen in den Foren hat mich auch immer sehr inspiriert.

von Pamo am 17.01.2013, 13:16



Antwort auf Beitrag von Bela66

Da ich nie wirklich Ratgeber gelesen habe (weil ich es für sinnlos halte, wenn ich ehrlich bin) bin ich ganz klar für Intuition. Ich finde mein Kind und dessen ganz individuelle Eigenheiten und Bedürfnisse nicht in einem Buch, welches jemand schreibt, der mein Kind nicht kennt. Ich gestehe den anderen zu ihrer Kinder auch nach ihrem Gefühl zu erziehen und ich muss das nicht gut finden oder teilen. Es kritisieren würde ich, wenn es Folgen hat, die dem Kind schaden.

von mf4 am 17.01.2013, 12:16



Antwort auf Beitrag von Bela66

In der Psychologie spielt der Begriff Intuition keine große Rolle. Das liegt daran, dass wir die Summe unserer Erfahrungen sind. Jedes Bauchgefühl entsteht aus Erlebnissen und Lernerfahrungen, die man in seinem bisherigen Leben hatte. Das ist aber nicht jedem bewusst. Häufig wird die Intuition mit den bisherigen Erfahrungen verwechselt. Wenn meine Intuition mir sagt, dass man Kinder früh Grenzen setzen muss, weil sie sonst zu Tyrannen werden, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass diese "Intuition" aus der Umwelt kommt. Wenn man also nicht konform der eigenen Prägungen erziehen möchte, dann muss man sich den Prägungen bewusst werden. Das kann über Erziehungsratgeber oder ganz andere Wege geschehen.

von julika02 am 17.01.2013, 14:09



Antwort auf Beitrag von Bela66

Ich finde, es ist schon wichtig, diverse Entwicklungsphasen zu erkennen und dem Kind entsprechend da durch zu helfen. Deswegen habe ich in Entwicklungsbüchern (Remo Largo) geschmökert. Erziehungsratgeber trete ich in die Tonne, auch Pseudoliteratur wie "ohje ich wachse". Ansonsten Bauchgefühl, Respekt, liebevolle Grenzen setzen und auch die Grenzen des Kindes achten.

von maxwell am 17.01.2013, 18:26



Antwort auf Beitrag von Bela66

Hallo, ich habe wenige ausgewählte Bücher gelesen und dann intuitiv entschieden, was bei uns passt. Der Vergleich mit dem Führerschein setzt ja voraus, dass wahr ist, was in dem Buch steht. Aber Bücher spiegeln die Meinung/Haltung der Autoren wider und auch die Strömung der Zeit, in der das Buch entstanden ist. Daher ist der Vergleich eher hinkend, denn ein Golf ist ein Golf ist ein Golf und die Verkehrsregeln sind in Deutschland einheitlich, aber Kinder und ihre Eltern sind so individuell, dass einfach kein Schema F passt. Ich hör mir gern alles an und dann nehm ich was mit, oder ich lass es. Liebe Grüße Lian

von Lian am 17.01.2013, 19:32



Antwort auf Beitrag von Bela66

Ich habe hier an sich nur Remo Largo stehen, dies ist jedoch an sich kein Erziehungsratgeber, sondern eher ein Nachschlagewerk über das kindliche Entwicklung. Ich habe es auch immer nur im "nachhinein" konsultiert, d.h. wenn Kind was neues machte, habe ich geschaut und gesehen "ach, tatsächlich jetzt ist hierfür die Zeit da". Mein Problem mit den ganzen Erzeihungsratgeber ist es, dass diese immer die neusten Theorien propagieren, diese Theorien sich jedoch alle 20-30 Jahre radikal ändern. Früher war die autoritäre Erziehung "in", dann kam die Antiautoritäre, jetzt ist es "attachment parenting". Alle Theorien wurden zu ihrer Zeit als das einzige Richtige erklärt für die man jetzt gaaanz neue wissenschlaftliche Erkentnisse hat. Ich wette, dass in 30 Jahren unsere Kinder über die heute herrschenden Theorien meckern so wie wir über die Theorien der 70er Jahre herziehen. M.E. gibt es nämlich keien einzig richtiger Weg, Erziehung bzw. Entwicklung eines Kindes ist so komplex, wird von so vielen Faktoren beeinflusst, dass es kein Patentrezept für alles geben kann.

von Fuchsina am 17.01.2013, 21:17



Antwort auf Beitrag von Bela66

Als ich schwanger war, hat eine Freundin mir das Buch "Babyjahre" geliehen. Ich habe angefangen zu lesen... und gedacht "Was hast Du Dir da bloß angetan". Ich habe es weggelegt und tatsächlich geschafft zu vergessen, was da drin stand. Vielleicht wäre noch der ein oder andere gute Tip zu finden gewesen, ich weiß es nicht, aber bisher hat mich mein Bauchgefühl noch nicht verlassen.

von jaromir1976 am 17.01.2013, 22:15



Antwort auf Beitrag von jaromir1976

sowieso alles nach;-) Ich hätte viel mehr auf mein Bauchgefühl hören sollen, aber als Mama eines Autisten, ist man schnell am Zweifeln. Ratgeber hatte ich viele gelesen, aber mein Kind war ja immer anders, was in den Augen vom KIA, Kindergärtnerin, Ergotherapeutin natürlich NUUUUUUUUUUUUUR am Elterhaus liegen kann! Bis wir eine Antwort auf "UNSERE" Probleme bekamen vergingen ja fast 6Jahre. Bis dahin haben viele wahrscheinlich nur mit dem Kopf geschüttelt was meine Erziehung anging (wer durchsucht schon mit seinem 2Jährigen Mülleimer und Gestrüpp nach Batterien ) aber mein Bauchgefühl hat mir immer ganz deutlich gezeigt, WAS DIESES KIND BRAUCHT------ ABER es ist leider so , dass es nicht immer das sein muß was Ihm auch für sein Leben weiterhilft. Deswegen muß man irgendwann aufpassen ,dass man sich nicht verrennt oder zuviel verpasst.(Sonst würde sich mein 9Jähriger NIE waschen) Vorallem wenn das Kind eben nicht in alle Schubladen passt! Als Mutter denke ich, schießt man da schnell über`s Ziel hinaus oder verlangt an anderer Stelle zu wenig!

Mitglied inaktiv - 18.01.2013, 07:31



Antwort auf Beitrag von Bela66

Ich habe wirklich viele Anregungen bekommen. Lieben Dank für Eure vielen Erfahrungen und Einschätzungen! Ich selbst glaube, dass eine Mischung aus Wissen und Bauchgefühl eigentlich ganz gut funktioniert. LG

von Bela66 am 18.01.2013, 12:54



Antwort auf Beitrag von Bela66

Aus dem Bauch heraus und mit dem Herzen... Erziehungsratgeber finde ich total bescheuert... und wenn ich mir so unserer beiden Ältesten anschauen mit ihren 17 und 19 Jahren...ja, dann kann ich das nur so unterschreiben!

von yamyam74 am 18.01.2013, 19:45



Antwort auf Beitrag von Bela66

Ich denke man kann durchaus von Ratgebern profitieren, sofern sie nicht dem Bauchgefühl widersprechen. Wenn ich etwas nur tue, weil irgendein Experte das rät,kann das nicht gut sein. Ich würde z.B. nie ferbern,da könnte ich 10 Ratgeber lesen, die dies empfehlen. Man sollte sich immer seine eigene Meinung bewahren. Man kann manches umsetzen, viele Ratgeber sind ja auch sehr gut und hilfreich.Aber man sollte nicht so starr dabei sein. Jedes Kind ist anders, es gibt keine Patentrezepte. Ideen und Anregungen sind gut, so lange sie nicht verunsichern. Bauchgefühl und Ratgeber sind so auch kein Widerspruch. Liebe Grüsse

Mitglied inaktiv - 18.01.2013, 22:44



Antwort auf Beitrag von Bela66

Ich finde das Erziehen nach Bauchgefühl spannend, verstehe aber noch nicht ganz, wie das im Alltag aussieht. Deshalb eine Bitte an die Intuitions-Verfechterinnen: Habt Ihr vielleicht ein paar Beispiele, wie Ihr im Alltag einen Konflikt mit Eurem Kind spontan und aus dem Bauch heraus gelöst habt? Oder eine richtige Entscheidung getroffen habt (zum Beispiel bei der Wahl des Kigas oder der Schule), ohne groß darüber nachzudenken? Ich kann mir das noch nicht recht vorstellen. LG

von Hexhex am 19.01.2013, 12:55