Sehr geehrter Herr Dr. Karle,
ich habe gestern bei meiner Gynäkologin erfahren, dass bei mir eine genitale HSV-1-Infektion vorliegt. Die Erstinfektion liegt 8-9 Jahre zurück, ich hatte 2023 eine Reaktivierung. Nun bin ich in der 8. SSW. Letzte Woche hatte ich eine erneute Reaktivierung (1 Bläschen, nach Behandlung mit Creme innerhalb von 2 Tagen abgeheilt).
Ich habe zunächst gedacht, dass HSV-1 weniger gefährlich ist, da es ja bei so vielen Menschen vorliegt und zu weniger Rezidiven führt. Nun habe ich allerdings einige Studien gelesen (Berufskrankheit als Biologin), die besagen, dass das Übertragungsrisiko sogar höher sein soll. (https://obgyn.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1080/00016340601151949; oder: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28440579/)
Meine Gynäkologin konnte dazu leider nichts sagen. Wissen Sie, ob das Risiko für eine Übertragung auf das Ungeborene erhöht ist? Bzw. ob ich etwas tun kann, um das Risiko zu minimieren?
Ich war unsicher, ob sich die erhöhte Übertragbarkeit bei reaktiviertem HSV-1 nur auf die Geburt oder auch vorher bezieht; eine normale Geburt strebe ich aufgrund der Befürchtungen schon gar nicht mehr an.
Falls Sie einen Tipp hätten, an welche Stelle ich mich wenden kann, falls ich hier falsch bin, wäre ich auch dankbar.
Deine Schwangerschaftswoche:
8
von
Florentine.
am 15.05.2024, 09:10
Antwort auf:
Genitaler HSV 1 - Risiko höher?
Guten Morgen,
Es gibt drei Möglichkeiten, wie es zur Übertragung der Herpes-simplex-Viren von der Mutter auf ihr Kind kommt:
Während der Schwangerschaft über den Mutterkuchen (transplazentär), selten
Während des Geburtsvorgangs (intrapartal) per Kontaktinfektion
Kurz nach der Geburt (postpartal)
Eine Übertragung während der Schwangerschaft über den Mutterkuchen, also transplazentär, ist nur möglich, wenn die Herpesviren im Blutkreislauf der Mutter zirkulieren (Virämie). Zu dieser als Herpes-Sepsis bezeichneten Komplikation kommt es aber nur sehr selten.
Durch einen gewöhnlichen Ausbruch von Lippen- oder Genitalherpes ist eine Ansteckung des Ungeborenen über den Mutterkuchen nicht möglich.
Für Herpes bei Säuglingen ist meist die Form des Genitalherpes verantwortlich. Typischer Erreger des Genitalherpes ist das Herpes-simplex-Virus 2 (HSV-2). Allerdings ist es möglich, dass das Herpes-Simplex-Virus 1 (HSV-1) einen Genitalherpes auslöst.
HSV-1 ist eigentlich typischer Erreger des Lippenherpes. Dies geschieht dann in der Regel über eine sogenannte orogenitale Übertragung, also durch den Transport der Viren vom Mund zum Genitalbereich, etwa bei oralem Geschlechtsverkehr. Liegt dem Genitalherpes der Mutter eine HSV-1-Infektion zugrunde, steckt sich das Kind im Falle einer Infektion während der Geburt auch mit HSV-1 an.
Infektionen mit HSV 1 sind insgesamt häufiger als HSV-2; daher auch häufiger der ursächliche Erreger. Virulenter ist dieser nicht. Er ist auch nicht leichter via Plazenta übertragbar, falls das die konkrete Frage war.
Eine lokale Therapie ist in der regel ausreichend. Eine geburtsplanung ist zu empfehlen.
Alles Gute wünscht ihnen.
Dr. Christian Karle
von
Dr. med. Christian Karle
am 16.05.2024
Antwort auf:
Genitaler HSV 1 - Risiko höher?
Herzlichen Dank für die ausführlichen Antworten.
Ich mache mir aktuell Sorgen, was im Fälle eines vorzeitigen Blasensprungs bei einer Frühgeburt wäre, wenn man noch nicht die Prophylaxe ab der 36. SSW einnimmt. Wenn HSV-1 auch bei länger bestehender Infektion so leicht zu übertragen ist, bezieht sich das auf das auf den Fall einer akuten Reaktivierung (also mit Bläschen) oder auch wenn keine Symptome vorliegen? Die 15 % haben mich extrem ängstlich gemacht, ich weiß aber auch nicht genau, wie die zustande kommen, da mir die Zahl sehr hoch für Reaktivierungen vorkommt, wenn das Risiko sonst als 1 % angegeben wird (aber ggf. ist das nur HSV-2?)
Wäre es sinnvoll die Aciclovirprophylaxe direkt ab der 20. SSW zu nehmen, wenn HSV-1 und nicht HSV-2 vorliegt?
Was beinhaltet die Geburtsplanung, die Sie empfehlen genau? Falls alles nach Plan läuft, dachte ich, dass ich auf jeden Fall einen geplanten KS machen möchte und vorher sicherheitshalber trotzdem die Prophylaxe nehme, ggf. früher.
von
Florentine.
am 16.05.2024, 09:31