Vom Zappelphilipp und Träumerle - bitte Vorsicht mit der Diagnose ADS!

Vom Zappelphilipp und Träumerle - bitte Vorsicht mit der Diagnose ADS!

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Mein Kind zappelt und fuchtelt ständig herum, ist aufsässig, kann sich nicht konzentrieren und nicht still sitzen, bekommt in der Schule nichts mit, träumt mit offenen Augen - so oder so ähnlich lauten die Klagen vieler Eltern heutzutage.

Die Diagnose lautet dann schnell "ADS" - häufig auch zu schnell! Natürlich ist eine Aufmerksamkeitsstörung eine ernstzunehmende Erkrankung, die die betroffenen Kinder und Eltern sehr belasten kann. Andererseits sollte man aber auch nicht vergessen, dass all diese Anzeichen grundsätzlich erst einmal vollkommen normale Verhaltenseigenschaften beschreiben, die fast alle Kinder in irgendeiner Entwicklungsphase durchmachen. Bravsein, Gehorchen und Stillsitzen hingegen sind eigentlich Wunschvorstellungen von Eltern und Lehrern, bzw. Anforderungen, die unsere moderne Gesellschaft an die Kinder stellt. Mit einem normalen Kinder-typischen Verhalten haben sie eher weniger zu tun. Deshalb sollte man mit einer vorschnellen Diagnose sehr vorsichtig sein!

Was genau ist ADS?

Das sogenannte Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom, kurz ADS, ist eine "Signalstörung" im Gehirn. Dabei können die Botenstoffe, die die Informationen zwischen den verschiedenen Gehirn-Bereichen transportieren sollen, ihre Aufgabe nicht richtig erfüllen. Es gibt verschiedene erfolgversprechende Therapieansätze. Teilweise können auch Medikamente (z.B. Ritalin) helfen, die den Stoffwechsel dieser Botenstoffe künstlich stimulieren. Sie sollten aber immer nur als Teil einer umfassenden Behandlung eingesetzt werden, und nur nach strenger Indikation und eingehender Untersuchung.

Man unterscheidet zwei Typen: den hyperaktiven Typ (ADHS) und den unaufmerksamen Träumer (ADS). Außerdem gibt es Mischformen.

Hat mein Kind eine Aufmerksamkeitsstörung?

Die Unterscheidung, ob es sich bei Ihrem Kind um einen völlig gesunden Zappel-Philipp oder ein normales Träumerle handelt, oder ob eine echte Aufmerksamkeitsstörung vorliegt, kann nur ein erfahrener Kinderarzt oder ein Kinder- und Jugendpsychiater treffen. Wenn Sie den Verdacht haben, sprechen Sie bitte zunächst mal Ihren Kinderarzt darauf an, der Sie nach eingehender Beratung bei Bedarf auch noch an geeignete Stellen weiter verweisen wird.

Bei folgenden Anzeichen sollten Sie an ADS/ADHS denken, vor allem wenn mehrere Auffälligkeiten zusammenkommen, und Ihr Familienleben und das soziale Umfeld Ihres Kindes dadurch massiv gestört werden:

  • das Kind ist häufig unaufmerksam, unkonzentriert, vergesslich und leicht ablenkbar
  • zappelt viel, rutscht auf dem Stuhl herum, ist häufig überaktiv oder laut in Situationen, wo das unpassend erscheint, redet sehr viel und schnell
  • ist sehr impulsiv, kann nicht abwarten bis es dran ist, unterbricht und stört häufig
  • ist aggressiv, kann sich nicht unterordnen und hat Schwierigkeiten im Umgang mit Gleichaltrigen
  • hat Schul- und Lernprobleme

Bitte machen Sie sich aber klar, dass all diese Anzeichen vorübergehend in verschiedenen Entwicklungsphasen völlig normal sind. Lediglich unsere Gesellschaft reagiert hier oft übersensibel.

Ist ADHS eine "Gesellschaftskrankheit"?

Unsere moderne Gesellschaft ist tatsächlich nicht optimal für die Entwicklung von Kindern. Es gibt zu wenig Platz zum Spielen und Toben, zum Lärmen und Lautsein. Die Kinder haben kaum Bewegung. Schon früh müssen sie reibungslos funktionieren und "ecken" mit einem normalen lebhaften Verhalten überall an. Völlig gesunde Kinder werden da schnell als krank oder anormal eingestuft. Trotzdem ist eine echte Aufmerksamkeitsstörung aber keine Erscheinung unserer modernen Zeit, sondern eine Erkrankung, die es immer schon gegeben hat. So wie es natürlich auch zappelige oder verträumte Kinder immer schon gegeben hat. Bereits 1845 wurden diese Phänomene sehr anschaulich in Heinrich Hoffmanns "Struwwelpeter" beschrieben. Die Geschichten vom "Zappel-Phillip" und vom "Hanns Guck-in-die-Luft" begeistern heute noch Groß und Klein, eben gerade weil sie so viel Wahres enthalten.

Wie gehe ich mit meinem kleinen Wildfang richtig um?

Die Erziehung eines besonders lebhaften Kindes bringt Sie als Eltern oft an Ihre Grenzen.
Mit folgenden Tipps dürfte sich der Alltag hoffentlich ein bisschen leichter gestalten - unabhängig davon ob Ihr Kind nun ein ganz normaler Wildfang ist oder tatsächlich an ADHS leidet.

  • Setzen Sie Grenzen
    Chaotische Kinder brauchen einen geregelten Tagesablauf mit festen Essens- und Bettgehzeiten wie auch Spiel-, Hausaufgaben- und Ruhezeiten. Scheuen Sie sich nicht davor, Regeln aufzustellen, und sorgen Sie dafür, dass Sie möglichst eingehalten werden. Das gibt Ihrem Kind Halt und Sicherheit.
  • Belohnen ist besser als Strafen
    Schimpfen und Strafen wirken bei einem kleinen Wildfang meistens gar nicht. Man denke an Michel aus Lönneberga, der stundenlang allein im Schuppen beim Schnitzen saß. Geändert hat das aber doch nichts. Versuchen Sie stattdessen, Ihr Kind durch gezieltes Lob und Belohnen immer wieder zu ermutigen und zu bestärken.
  • Begabungen und Stärken fördern
    ADHS-Kinder sind oft besonders kreativ und begabt. Unterstützen Sie die musische, sportliche, intellektuelle oder gestalterische Begabung Ihres Kindes. Die Erfolge in diesen Bereichen stärken sein Selbstbewusstsein und gleichen so manchen Misserfolg in der Schule wieder aus.
  • Sorgen Sie für viel Bewegung
    Zappelige oder aufbrausende Kinder müssen sich austoben können und sollten möglichst jeden Tag raus an die frische Luft. Dadurch werden Sie ausgeglichener und schlafen abends auch besser ein. Suchen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind nach geeigneten Hobbies, die es fordern und fördern. Sportarten wie Fußball, Tennis oder Schwimmen aber auch Judo, Karate oder Tischtennis - am besten im Verein mit anderen gemeinsam - , bieten Ihrem Kind nicht nur das nötige "Dampfablass-Ventil", sondern steigern auch Konzentration, Geschicklichkeit und Sozialverhalten.
  • Gesunde Ernährung mit wenig Zucker
    Achten Sie auf eine ausgewogene und vitaminreiche Ernährung. Zu viel Zucker in Form von Süßigkeiten und Limo kann sich negativ auf die Konzentrationsfähigkeit auswirken. Komplexe Kohlenhydrate in Vollkornprodukten und Gemüse hingegen wirken einer Unterzuckerung entgegen und vermindern damit Unruhe und aggressives, jähzorniges Verhalten.
  • Wenig Fernsehen
    Schränken Sie den Medienkonsum ein. Gerade hyperaktive Kinder reagieren besonders empfindlich auf die Reizüberflutung durch Fernsehen und Computer.

Das Wichtigste aber ist: Versuchen Sie ruhig und gelassen zu bleiben!

Falls Sie sich gern mit anderen Eltern zu diesem Thema austauschen möchten, besuchen Sie doch unser "Forum ADHS - ADS".

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