Falscher Schlafrhythmus und zu wenig Dopamin Pubertäre Kids müssen renitent und faul sein WEIMAR – Sie kosten Eltern den letzten Nerv und bringen Lehrer zur Verzweiflung: Teenager in der Pubertät. Mit Argumenten ist ihrem „seltsamen“ Verhalten nicht beizukommen. Die Neurobiologie macht derartigen Versuchen einen Strich durch die Rechnung. Was ist in den Köpfen von Pubertierenden bloß los? Warum ticken sie so anders? Die Antwort geben zahlreiche Forschungsergebnisse der letzten Jahre. Stichwort: Präfrontaler Cortex (Teil der Großhirnrinde). Dieser ist für Verhaltensregulation und Emotionsverarbeitung zuständig. Im Vorschulalter ist dort die Synapsendichte am höchsten, um dann sukzessive, zwischen 13 und 17 auch rapide, weiter abzunehmen. „Im Vergleich zu Vorschulkindern ist da bei Pubertierenden einiges im Argen“, kommentierte Dr. Ulrich Kohns, niedergelassener Kinder- und Jugendarzt in Essen, auf dem 16. Kongress für Jugendmedizin. Er räumte allerdings auch ein, dass nicht die Quantität, sondern vor allem die Qualität der neuronalen Verschaltungen zählt. Insgesamt sind aber die für Planung und Ich-Kontrolle zuständigen Areale im präfrontalen und auch orbitofrontalen Cortex des Jugendlichen noch nicht voll ausgereift. Wenn Mitgefühl zum Fremdwort wird Die Empathiefähigkeit ist bei Teenagern in der Pubertät erheblich eingeschränkt. Im Vergleich zu anderen Altersgruppen brauchen sie deutlich länger, um Gefühle anderer Menschen wahrzunehmen – vorausgesetzt, sie schauen sie überhaupt lange genug an. Dies wurde in einer Studie, in der Jugendliche und jüngere Kinder ärgerliche und traurige Gesichter einschätzen sollten, nachgewiesen. Mittels funktionellem MRT konnten Wissenschaftler zeigen, dass im Alter zwischen 14 und 17 Jahren das Risikoverhalten beziehungsweise die Bereitschaft, etwas Riskantes oder Verbotenes zu tun, im Vergleich zu anderen Altersgruppen extrem hoch ist und dass es Probleme in der Affekt- und Verhaltensregulation gibt. Auch die allgemeine Erfahrung, dass die Risikobereitschaft vor allem in der Gruppe ansteigt, wurde via Bildgebung bestätigt. Kein Bock auf nichts, weil Dopamin fehlt Der für Lustgefühle zuständige Dopaminspiegel im Blut geht in der Pubertät zurück. Dies erklärt, warum Jugendliche einen größeren Kick brauchen, um das gleiche angenehme Gefühl zu erhalten. „Es reicht nicht, von einer hohen Mauer zu springen, es muss schon ein fahrender Zug sein.“ Auch Verbotenes oder Neues zu tun, sorgt für den nötigen Dopaminreiz. Eng mit dem Dopaminhaushalt verbunden sind Motivation und Emotionslage. Der niedrige Dopaminspiegel sorgt für die verbreitete Unlust der Jugendlichen. „Gehen wir ins Kino?“ „Weiß nicht.“ „Da geht bei mir der Noradrenalinspiegel hoch“, bekannte Dr. Kohns. Hormonelle Veränderungen sorgen gerade in der Pubertät für eine eher verzerrte Wahrnehmung der Realität. Bekanntes Beispiel: „Liebe macht blind.“ In dieser Zeit machen Beziehungskonflikte vor allem den Mädchen Stress, denn sie wollen gemocht werden und soziale Bindungen eingehen. Die Jungs wünschen sich vor allem Respekt und wollen in der männlichen Rangordnung aufsteigen. Nicht zuletzt: Der Schlafrhythmus ändert sich: Jugendliche werden etwa 1–2 Stunden später müde als Erwachsene, schlafen später ein und werden daher später wach. Wenn sie also erst um 23 Uhr losziehen und noch später nach Hause kommen, dann ist das zumindest neurophysiologisch völlig normal. www.medical-tribune.de
Mitglied inaktiv - 21.06.2010, 09:32