Zehn bis Dreizehn

Forum Zehn bis Dreizehn

Schüchternes Kind, wirklich ein "Makel"?

Thema: Schüchternes Kind, wirklich ein "Makel"?

Hallo zusammen. Die Überschrift sagt es ja schon. Meine Tochter ist 10 und war schon immer schüchtern und zurückhaltend. Ich liebe sie, wie sie ist und im Gegensatz zu früher(da hat sie nicht mal gesprochen) hat sich schon einiges verändert( sie kauft selbst ein usw.) Nun ist mir aufgefallen, dass es immer als Makel gesehen wird in der Gesellschaft. Schon in der Schule steht im Zeugnis: alles super , nur eben zu schüchtern( nicht wortwörtlich). Immer wieder kommen Sprüche von Bekannten, dass sie nicht mal grüßt usw. und es wird ihr als unfreundlich ausgelegt(entfernte Bekannte, keine Freunde.) Jetzt wollte sie sehr gern ein Amt übernehmen(nicht relevant, was ) und hätte sich sogar überwunden, vor vielen Menschen zu sprechen. Von der Verantwortlichen heisst es jetzt: sie würde gern jemand extrovertierten nehmen, ausser, sie geht mehr aus sich raus... Mich ärgert das so und mir tut es so leid. Warum wird das immer als Makel gesehen? Ich bin selbst ruhig und zurückhaltend, war als Kind auch schüchtern und mittlerweile schätzen das die richtigen Menschen auch sehr an mir da ich z.b. einfühlsam bin und zuhören kann. Was meint ihr?

von Melina39 am 22.06.2023, 12:01



Antwort auf Beitrag von Melina39

Wenn deine Tochter einfühlsam ist und gut zuhören kann, sollte sie sich vielleicht eine Stelle als Schulsanitäterin aussuchen. Da braucht es die ruhigen, bedachten Menschen. Jeder halt da, wo er seine Talente einsetzen kann. Bei uns gibt es auch für die 5er Begleiter. Das wäre auch super für ruhigere Schüler. Ihr solltet daher an der richtigen Stelle suchen. Erfolg zu suchen bei Stellen die von extrovertierten Schülern leben, halte ich für einen ständigen Hort von Misserfolg. Überwindung zu lernen würde ich im privaten suchen. Was meiner Tochter geholfen hat war hier der Mofaführerschein. Ich kann das nicht oft genug erwähnen. Plötzlich stand sie im Mittelpunkt und musste erzählen. Auch ein weiterer Schritt ist die Musik. Das kann sie. Und Solos folgen da zwangsläufig. Mit dem was man kann erwarb hier mein Kind jede Menge Selbstvertrauen. Als Makel würde ich Schüchternheit nicht sehen. Nur Ihr macht es daraus indem Ihr an den falschen Stellen eine Abfuhr bekommt. Dann sagt Ihr, Schüchterne wollen sie nicht. Wäre ja richtig, denn die wollen Extrovertierte. Ich würde mich da gar nicht „bewerben“. Bewerben dort wo Ihr den Trumpf der Zurückhaltung ausspielen könnt.

von Caot am 22.06.2023, 12:46



Antwort auf Beitrag von Caot

Ich verstehe, was du meinst. Aber es ging mir nicht nur um die Schule. Das "Amt" wäre etwas außerschulischen gewesen, was sie unbedingt machen wollte und wo es keine Voraussetzung ist, dass man extrovertiert ist. Musik haben wir probiert, das ist nicht ihrs Reiten eher, aber da steht man ja selten im Mittelpunkt. Schulsani wäre eine Idee, das könnte sie ab der 5. machen.

von Melina39 am 22.06.2023, 12:58



Antwort auf Beitrag von Melina39

Huhu, wenn sie das Amt unbedingt machen will, warum sollte sie dann ihre Bewerbung zurückziehen? Evtl. kann sie ja auch dafür kämpfen, auch wenn die erste Rückmeldung nicht so war wie erhofft. Wenn wer auch immer sich für einen anderen Kandidaten entscheidet, dann ist das so, und dann muss man das wahrscheinlich akzeptieren - wir wissen ja nicht, worum es geht. Alles Gute!

von zweizwerge am 22.06.2023, 13:31



Antwort auf Beitrag von Melina39

Wir wissen ja nicht, um was es geht. Und wie das "Verfahren" ist, um an dieses Amt zu kommen. Vielleicht hat deine Tochter einfach nicht den Eindruck gemacht, dass sie es wirklich schafft. So hart das ist, es gehört leider dazu. Ich würde ihre deshalb nicht zum Problem machen.

von wolfsfrau am 22.06.2023, 13:46



Antwort auf Beitrag von Melina39

Ich bin auch schon immer schüchtern gewesen. Ja, in unserer Gesellschaft ist das ein Makel. Es wird heutzutage zwar die ganze Zeit Gleichberechtigung und Toleranz gepredigt, aber das gilt nicht gegenüber den Menschen, die von ihren Verhaltensweisen her nicht ins Bild passen, weil sie schüchtern, hochsensibel, nicht neurotypisch oder was weiß ich warum in den Augen der Gesellschaft "merkwürdig", "unhöflich" oder "anstrengend" sind. Im Beruf zählt, wer am besten auf sich aufmerksam machen und netzwerken kann. Wer das nicht kann, macht heutzutage keine Karriere mehr, egal, wie kompetent er theoretisch wäre. Umgekehrt kommen so immer mehr Menschen in wichtige Positionen, die extrovertiert, aber leider fachlich inkompetent sind. Meiner Meinung nach ist das einer der Gründe, warum in diesem Land so langsam nichts mehr funktioniert. Selbst bei Stellen, die "nur" für Fachkräfte und keine Führungspositionen sind, wird erwartet, dass man im Vorstellungsgespräch selbstbewusst und sozial kompetent rüber kommt. Bei Accessment Centern braucht man als introvertierter Mensch gar nicht erst antreten. In der Schule merken die Lehrer sich, wer sich oft meldet und nicht, wer die besten Antworten gibt. Wenn ein Schüler, der immer mitmacht, zu 40 % falsch liegt oder nur wiederholt oder Fragen stellt, wird er trotzdem eine bessere mündliche Note bekommen, als jemand, der zwar selten mitmacht, aber dann zu 95% wertvolle Beiträge liefert. Es ist schön, wenn man privat einen Kreis gefunden hat, in dem man sich wohl fühlt und der einen sogar für die Eigenschaften schätzt, die anderswo abgewertet werden. Aber irgendwie muss man ja auch mit dem Rest der Welt, besonders mit dem Thema Beruf, zurecht kommen. Ich würde Euch daher raten, für Deine Tochter jemanden zu suchen, der ihr hilft selbstbewusster zu werden.

von kea2 am 22.06.2023, 14:40



Antwort auf Beitrag von Melina39

Ich hatte so ein Kind. Heute ist sie super selbstbewußt, erfolgreich und geht ihren Weg. Dies nur vorneweg. Wichtig ist, ihr zu zeigen, sie spüren zu lassen, daß sie genau so richtig ist, wie sie ist. Egal, was andere sagen. Egal, wie andere das interpretieren. Hilf ihr, indem Du sie sein läßt, wie sie ist. Meine Tochter mochte kein Eis bestellen? Dann habe ich dies neben ihr getan. Meine Tochter wollte ihren Namen nicht sagen? Dann habe ich das neben ihr getan. Wenn ich dabei war, habe ich es für sie getan, sie konnte daneben stehen und beobachten. Wer immer mehr Freunde für sein kind will, von ihm erwartet, daß es alle (meine) netten leute auch nett findet und gleich auf sie zugeht, wer meint, jeder müsse draufgängerisch, laut und selbstbewußt von Geburt an sein, der verkennt, daß Menschen verschieden sind. Ich habe mir viel anhören müssen, bis dahin, daß ich nicht mehr Deutsch, me8ne Muttersprache, mir ihr reden solle:sie könne wohl kein Dänisch. Aber wir haben auch Menschen getroffen, die sie akzeptieren konnten und wollten, wie sie war, die ihr die Zeit gaben, die sie brauchte, und die sie ihren Weg gehen ließen, und zwar so, wie sie ihn gehen wollte. Tu dies auch! Laß sie nicht fühlten, sie sei auch nur ansatzweise verkehrt und müsse… Sie ist, wie sie ist, und das ist gut so. Und sie findet schon, was sie braucht, um sich zu entfalten. Wenn sie die Luft, den Raum dazu hat.

von DK-Ursel am 22.06.2023, 21:17



Antwort auf Beitrag von Melina39

Ich fürchte, dass es nicht hilft, wenn man sehr schüchtern ist. Leider unterstützt unsere Gesellschaft Ellbogenmentalität mehr. Das heißt aber nicht, dass man als schüchterner Mensch zum Untergang verurteilt sei. Da hilft spätestens der Fachkräftemangel ; ) und spätestens in der Probezeit kann ein Arbeitgeber Schaumschläger gut erkennen und bei Bedarf nachbesetzen. Gleichzeitig ist Deine Tochter noch klein, wer weiß, wie sich das entwickelt. Das Problem haben (inklusive nicht zu grüßen) haben wir bei unserer Tochter auch. Mal schauen, wo das weiter hingeht. Die Rampensau wird sie wohl nie werden, aber ich habe den Eindruck, dass es schon in die richtige Richtung läuft. Mit dem Eintritt in die 5. Klasse hat sie einen ganz schönen Sprung in Richtung Selbstbehauptung gemacht. Das ist jetzt ein Jahr her. Wir wollen derzeit noch keinen "Schauspielunterricht" und hoffen, dass es ohne geht. Das wünsche ich Euch auch. Grüße, Jomol

von Jomol am 14.07.2023, 14:20