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Geschrieben von marit am 22.08.2004, 13:36 Uhr

warum ein Anwalt keinen Park säubrn sollte

Also langsam regt mich dieser Sozialneid unglaublich auf...

... weil ein Anwalt zunächst einmal das Interesse hat, in SEINEM Job wiederunterzukommen, genauso wie ein Arzt, Programmierer, Journalist oder Literaturwissenschaftler. Das sind Berufe, bei denen man sich ständig auf dem laufenden halten und weiterbilden muß und bei denen nicht die geringste Gefahr besteht, daß die entsprechenden Leue vor der Glotze verdummen. Das sind Berufe, bei denen man sich nicht mehr bewerben braucht, wenn man seinen Lebenslauf durch eine niedrig qualifizierte Tätigkeit versaut hat und es ist ja nicht so, als ob es nicht jede Menge arbeitslose Menschen ohne teure Ausbildung gäbe, die so einen Job machen könnten (die man dann bitte aber auch nach Tarif bezahlen sollte).Was passiert denn mit den Schulabbrechern, wenn denen jetzt schon arbeitslose Anwälte die Jobs wegnehmen - werden die dann ganz auf den Müll geworfen oder wie?
Außerdem sind das Berufe, bei denen nach dem Abitur nochmal an die 6 Jahre für eine Ausbildung draufgehen, für die man nicht mal ein Lehrgeld bekommt und danach noch mal 2 Jahre, bei denen man ungefähr soviel Geld erhält, wie ein Friseurlehrling. Wieso sollte man dann statt die Arbeitslosigkeit zur Weiterqualifizierung zu nutzen eine Arbeit verrichten, die auch Schüler verrichten könnten um sich ein paar Euro Taschengeld zu verdienen, nur weil es mal 2 Jahre lang nicht so gut läuft. Das ist einfach eine Riesenverschwendung gesellschaftlicher und privater Ressourcen. Ich habe während des Studiums auch in der Gastronomie, im Supermarkt, im call center, als Briefträgerin etc gearbeitet. Einer meiner Jobs bestand darin, im Freibad Müll aufzusammeln. Das war ok, solange ich wußte, daß es nur eine begrenzte Zeit ist, warum sollte so einen Job irgendjemand zu einer Lebensaufgabe machen?. Um das nicht dauerhaft tun zu müssen, habe ich mich unglaublich ins Zeug gelegt. ICh kenne aber auch zufriedene Kellnerinnen, Briefträger und Lidl-Kassierer, die prima in ihrem Job sind. Warum sollen sie Konkurrenz von frustrierten Ex-Akademikern bekommen,solange es eh nicht genug Jobs für alle gibt? Es ist doch ganz normal, daß es gewisse Wünsche bezüglich er Arbeitsstellen gibt. Schließlich verbringt man dann mit der Arbeit die längste wache Zeit des Tages. Als ich in der Bäckerei gearbeitet habe, hat mich weniger das frühe Aufstehen gestört, sondern eher der rüde Umgangston dort. Ich könnte mir vorstellen, daß das auch das Geheimnis vieler lange ausgeschriebenen Stellen ist. Mein Onkel hat sich auch immer darüber beschwert, daß er keinen Azubi für seine Schreinerei bekam. Er ist ein dorfbekannter Choleriker, den man durch die ganze Straße mit seinen Angestellten herumschreien hört. Wen wunderts also? Zugleich kenne ich Firmen, die schlecht laufen und in denen alle unglaublich zusammenhalten um über den nächsten Monat zu kommen und immer wieder Überstunden leisten. Einfach weil man sich gegenseitig mag und respektiert und man nicht ängstlich und geduckt durch die Flure schleichen muß. Unser Land ist immer noch reich genug, daß sich kein Arbeitnehmer wie ein minderwertiges Stück Dreck behandeln lassen muß, wenn er dafür in Kauf nimmt nur das Existenzminimum zu erhalten. Und mal ganz im Ernst: glaubt ihr wirklich, unserem Land geht es besser, wenn ich mit meiner Qualifikation Menschen am Telefon Lotterielose andrehe die sie eigentlich gar nicht haben wollen (zum Thema 'jeden Job annehmen'), statt im selben Zeitraum endlich Zeit zu haben, mich für den Elternbeirat zu engagieren, wieder zu den vernachlässigten amnesty-international-Treffen zu gehen, mich weiterzuqualifizieren oder endlich eine Geschäftsidee auszuarbeiten, die mir schon lange im Kopf erumspukt. Wenn ich mir mein Bewerbungsprofil versaue, hat die Gesellschaft vielleicht 1-2 Jahre den Sozialhilfesatz gespart - verzichtet aber auf die viel höheren Sozialbeiträge, die ich in den nächsten 20-30 Jahren zu zahlen in der Lage gewesen wäre.

Ich stehe hinter Hartz IV ohne diese Zwangsarbeitskomponente, die ja im Grunde nur ein Mythos ist (denn auf weniger als den Sozialhilfesatz kann man ja nicht herunterkürzen). Wenn man aber den Menschen wirklich zu Bildung und Engagement verhelfen will, dann müßte man stattdessen tatsächlich kein Kabel- oder Satelitenfernsehen mehr zahlen, stattdessen den Empfänger aus einem Pool seriöser Zeitungen ein Abo auswählen lassen, Weiterbildungsprogramme anbieten und vor allem Wohnprojekte anleihern, die Ghettobildungen verhindern.

Arbeitslose zu Arbeiten heranziehen zu wollen, für die sie nie ausgebildet wurden und die sie nie haben wollten, finde ich menschenverachtend und bedient nur die Schadenfreude derjenigen, die mit ihrem Leben in eigener Verantwortng unglücklich sind. Das finde ich total erbärmlich.

Nicht zuzulassen, daß jemand sein Leben vergammelt ist eine ganz andere Sache, das könnte man ja dadurch lösen, daß man es zur Bedingung macht, dáß jeder Mensch "irgendetwas" tun muß, über das er dann regelmäßig Rechenschaft ablegt. Das kann gemeinnützige Arbeit sein, aber auch das Erlernen eines Instruments oder einer Fremdsprache oder Sport. So könnte man schon Menschen, die dazu neigen, sich selbst aufzugeben ein wenig vor sich selbst schützen und zugleich die Motivation erhöhen, nach bezahlter Arbeit zu suchen. DAS sollte aber auch das überwiegende Interesse sein - und nicht die Befriedigung niederer Instinkte derjenigen, die in ihren Jobs offensichtlich unglücklich sind, sich aber nicht trauen, etwas daran zu ändern.

 
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