Rund um die Erziehung

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Geschrieben von Mama Heike am 29.10.2006, 22:42 Uhr

An Vina noch mal wegen Nicht-Erziehung

Hallo Vina,

ich habe mal das Wochenende bewußt darauf geachtet, wie meine erzieherischen Absichten im Alltag wirklich sind.

Heute abend saßen meine Mädels (10 und 2 Jahre) vergnügt in der Wanne. Nach einer Weile gab´s dann Gekreisch von der Kleinen. Ich bin zurück ins Bad und hörte gerade noch den genervten Kommandoton: “Du setzt dich jetzt sofort hin!“
Die Kleine wollte sich nicht setzen und war enttäuscht über den Befehlston ihrer Schwester. Vor Wut hat sie sich in die Hand gebissen, es tat weh und sie hat geweint. Und da ist mir klar geworden:

Ich habe erzieherische Absichten - und zwar in allem, was ich tue und wenn ich über meine Kinder nachdenke.

Ich habe also mit der Großen gesprochen und ihr erklärt, dass keiner ein Recht hat, anders mit jemandem zu reden, als man selber angesprochen werden möchte. Sie hat sich erst verteidigt, irgendwann huschte eine Röte über ihr Gesicht… sie hatte verstanden. Ja, ich habe mit ihr aus einer erzieherischer Intention gesprochen, denn hätte ich es nicht getan, wäre das friedliche Nebeneinander der Schwester (auch zukünftig) in Gefahr gewesen.

Unsere Kinder kommen schon mit „Anlagen“ zu uns, die uns Erwachsenen weit überlegen sind. Eines Tages werden sie ihren eigenen Weg gehen. Meine Aufgabe ist es, ihnen mit Respekt und Aufrichtigkeit zu begegnen und ihnen die Bedingungen zu ermöglichen, das Beste aus sich heraus zu holen. Und vor dieser Verantwortung drücke ich mich nicht, indem ich meine erzieherischen Gedanken bekämpfe. Das ergibt für mich keinen Sinn!

Ich weiß einfach schon zu viel über das Seelenleben von Kindern, um die Augen zu verschließen. Und ich halte es für falsch, den Kindern, Hilfen zu verweigern. Mir kommt das vor wie unterlassene Hilfeleistung.
Die Kinder „ziehen“ sich aus meinen „Hilfen“ heraus, was sie für ihren Weg brauchen, sie sind selbst erziehend.

Ich denke, dass es das ist, was Braunmühl meint, aber so sagt er es nicht.
Er und seine Freunde von Krätzä „reden“ wie ein verletztes Kind, das an seiner Kindheit zu knabbern hat. Er will das abschaffen, was ihn „gequält“ hat.
Da sich Braunmühl aber auch nur etwa bis zu seinem 6. Lebensjahr zurückerinnern kann, finde ich keine Antworten auf den Umgang mit Kleinstkindern in dem äußerst wichtigen Alter von 1 bis 4 Jahren. (Falls die Bücher etwas anderes verkünden, lass es mich bitte wissen!) Ich verstehe mein Kind kein bißchen besser, nachdem ich bei Krätzä gelesen habe.

Meine Kinder nur leben lassen? Das haben meine Eltern mit mir gemacht! Sie hatten keine erzieherischen Absichten: sie wollten mich nicht ändern, mich nicht verbessern, sie wollten auch nicht darüber nachdenken, was für mich die besten Bedingungen gewesen wären, um das Beste aus mir heraus zu holen. Ich hatte Erziehung nicht nötig, mein Bruder schon. Er hat schon mal Schläge kassiert, wenn er zu nervig wurde.
Und es gab auch mir gegenüber nie diese demütigen Sprüche wie hier zu lesen
http://kraetzae.de/erziehung/sprueche/
(Diese Sprüche finde ich übrigens super. Wer die aus seinen Gedanken streichen kann, wird automatisch respektvoll mit seinen Kindern umgehen. Auch bei uns ist da alberne Nein-Nein abgeschafft.)

Ansonsten haben uns meine Eltern leben lassen (Du machst das schon!) und sie wollten selber leben. Sie waren sehr ungehalten, wenn wir an ihre (defensiven) Grenzen gestoßen sind ("Die laute Musik nervt, benutze bitte Kopfhörer!") Mir kam es vor wie purer Egoismus. Und geliebt haben sie uns wohl auch, irgendwie jedenfalls.

Ach so, da fällt mir noch was zu deinem Joghurt-Becher-Beispiel ein. War das ein Beispiel aus deinem Leben oder aus einem Buch von Braunmühl?
Meine Tochter nimmt NIE den letzten Joghurt, Banane, Apfel … , ohne mir Bescheid zu sagen: „Du, ich esse noch den Joghurt.“ Meinem Bruder hat das auch nicht ausgemacht, das Letzte zu nehmen, wir waren ihnen scheinbar sowieso egal. Ich mag keine Egoisten um mich haben. Meine Eltern, aus dem Blick eines Kindes gesehen, haben mir gereicht.

Kinder brauchen mehr, als nur eine „Nicht-Erziehung“ im Sinne von Braunmühl. Das soll keine Kritik an dir persönlich sein, denn ich bin mir sicher, dass du rein intuitiv aufrichtiger mit deinen Kindern umgehst und ihnen die Anteilnahme nicht verweigerst, die sie brauchen. Und sei es nur: „Du ziehst jetzt bitte deine Socken an!“ Für mich ist das ein Ausdruck von echtem Interesse am Wohlergehen des anderen.

Und noch eins ist mir wichtig:
Die Welt, in die unsere Kinder heute hineinwachsen, kann ihnen viel Schaden zufügen. Zu groß ist schon die Kluft zwischen dem, was kleine Kinder für ihre Entwicklung brauchen und dem, was wir ihnen an Umgebung bieten können. Heute fallen bei Schülern im Grundschulalter besonders gehäuft auf:
Sprach- und Entwicklungsstörungen, Wahrnehmungsstörung, mangelnde Sozialkompetenz, Disziplinlosigkeit, innere Unruhe und Konzentrationsschwäche, Rechen-, Lese- und Schreibschwäche, mangelnder Respekt gegenüber Erwachsenen und zum Teil sehr aggresives Verhalten gegenüber Mitschülern, geringe fein- und grobmotorische Fähigkeiten...
Wollen wir das für unsere Kinder?

Braunmühl schreibt in „Zeit für Kinder“: "Gegen diesen mörderischen Wahnsinn vertrete ich die Meinung, daß man für die Zukunft eines Menschen gar nicht VERANTWORTLICH sein kann. Sobald man denkt, man wäre für die Zukunft seines Kindes verantwortlich, hat man dieses wirkliche Kind aus dem Denken schon ausgeklammert. Es kommt darin gar nicht vor. Jedenfalls nicht als freies Subjekt, sondern als Marionette, als Roboter, als Maschine."

Und das halte ich für schlichtweg falsch. Ich trage sehr wohl Verantwortung für die Zukunft eines Menschen, denn alles was ich bin, wie ich handle und auch, wie ich denke, bleibt nun mal nicht OHNE Folgen für andere Menschen.
Und deshalb bin ich auch verantwortlich für die Zukunft meiner Kinder, denn ich bin es, der ihnen heute eine geeignetes oder ein weniger geeignetes Umfeld zum Lernen bietet. Und ich werde mich nicht davor drücken, die geeigneten Bedingungen zu suchen und aufzuspüren.

Ich glaube dir gern, dass die Thesen von Braunmühl dein Leben umgekrempelt und verbessert haben. Aber vergiß bitte nicht, liebvoll auf deine Kinder zu schauen, ob sie wirklich glücklich sind. Und ist das nicht schon erzieherische Absicht?

Liebe Grüße
Heike

 
7 Antworten:

@mamaselio

Antwort von wassermann63 am 30.10.2006, 7:55 Uhr

Hi,

ich erlaube mir jetzt einfach, mal kurz auf deinen TExt einzugehen, auch wenn ich nicht angesprochen wurde ;-)

Weißt du, welcher Gedanke sich mir schon vor längerer Zeit aufgedrängt hat, beim Lesen deiner postings im allgemeinen?

Dass du - dank intensiver Arbeit an dir selbst - vollkommen "aggressionslos" geworden bist - also wundersam ausgeglichen und stets (zumindest nach außen hin) heiter und froh. Das finde ich natürlich klasse und nachahmenswert.
Auch bin ich mir bewusst, dass es eine gehörige Menge an ständiger Selbstkontrolle erfordert...

Aaber, und dies ist der Gedanke, der sich mir aufdrängte: was ist mit den Kindern? Was tun die Kinder, wenn sie irgendetwas mal so richtig ank.tzt? Oder wenn ihre Urinstinkte sie dazu zwingen, ihr Territorium zu verteidigen?
Durften sie lernen, dass Wut auch mal raus darf? Natürlich auf "orientierte" Weise, um Schaden zu begrenzen bzw. garnicht erst aufkommen zu lassen, aber doch einfach raus darf?

Und heute habe ich die Antwort gelesen: ihre Aggression richtet sich gegen sie selbst... (das Beispiel deiner Kleinen, die sich in die Hand beißt).

Bei meinen Jungs baut sich diese "Aggression zur Verteidigung des Territoriums" hin und wieder auf und ich dachte anfangs, das unbedingt unterbinden zu müssen, durch Appelle an Rücksichtnahme usw. usw.

Die raue Wirklichkeit hat mich aber gelehrt, dass o.g. Appelle wirkungslos verpuffen.

Deshalb lasse ich bis zu einem gewissen Maß diese Aggressionen zu, wenn sie wirklich aus Territoriumsgründen entstehen und versuche zu schlichten, in dem ich die Territorien wieder auseinanderdividiere oder das Spielzeug Nr. 123.400 doppelt kaufe *stöhn*.

Tatsächlich konnte ich feststellen, dass "Streitfälle" sich häufen, wenn ich jedesmal eingreife. Wenn ich meinen Kindern hingegen erlaube, ihre Territorien abzustecken, lässt die Häufigkeit der Aggressionen nach.

Lg
Jacky

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ooh, sorry, Christiane, habe aus Versehen deinen nick

Antwort von wassermann63 am 30.10.2006, 7:56 Uhr

reingestellt und nicht mama heike.

Sorry

Liebe Grüße
JAcky

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Ähm:

Antwort von Frosch am 30.10.2006, 9:14 Uhr

...genervten Kommandoton: “Du setzt dich jetzt sofort hin!“

--> Kinder machen gerne ihre Eltern nach :-)


LG Antje

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@Jacky

Antwort von Mama Heike am 30.10.2006, 9:18 Uhr

Guten Morgen Jacky,

weiß nicht, wieviel Zeit mir die Kleine lässt, momentan geht sie mit dem Püppiwagen in der Wohnung spazieren.:-))

Also, du darfst natürlich nicht vergessen, dass meine Große schon 10 Jahre alt ist, da wird nicht mehr ums Territorium gekämpft. Da wird energisch die Tür zugemacht und vorher ein Schild an die Klinke gehängt: Will meine Ruhe oder Genie bei der Arbeit.

Sie ist oft launisch und darf ihre Launen natürlich auch ausleben, sie gehören ja zu ihr. Nur, wenn sie sich bei mir abreagiert und ich dann auf dem besten Wege bin, schlecht gelaunt zu werden (und sie dabei wieder fröhlich wird), unterhalten wir uns mal ein "bischen".
Als sie noch klein war, sollte sie ihren Muffel-Ruffel (es gibt dazu ein Lied von Rolf Zuckowski) ins Klo spucken, wenn er sie zu sehr im Griff hatte und gar nichts mehr ging. Sie hat es nie fertig gebracht, denn er ist ein Teil von ihr. (Ich habe solchen Muffel-Ruffel von "natur" aus nicht nicht.)

Zu der Kleine: Sie hat uns auch gebissen und gekniffen und besonders ihre große Schwester maltratiert. Wir haben sie einen Moment zu lange wie ein Baby behandelt.
Sie haut ihre Schwester gelegentlich noch, wenn sie zu viel rumalbern und die Kinder eh durch den Wind sind.

Aber in solchen Situationen, wie in der Badewanne ist es Liebe, die verhindert, dass sie ihre Schwester (oder uns schlägt). Und es ist auch das Vertrauen, dass sie ernst genommen wird in der Familie.
Und dass das so bleibt, deshalb habe ich ihrer großen Schwester die Situation erklärt.

Ich finde es auch schade, dass die Kleine sich selber beißt (ist aber sehr selten), und es ist nur ein kurzer Biss. Als ob sie spüren muss, dass es sie gibt. Keine Ahnung? Mit Selbstzerstörung hat es nichts zu tun. Wenn sie sich sprachlich besser ausdrücken kann, wird wohl das Selber- Beißen auch vorbei sein.
Im Moment wird sie noch nicht von allen verstanden und der Großen fehlt noch die Reife, es am Gesicht abzulesen, wenn die Kleine von ihr enttäuscht ist.

Liebe Grüße
Heike

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Ich lebe doch mit meinen Kindern nicht auf einer einsamen Insel, es gibt noch mehr menschliche Vorbilder. :-))) o.T.

Antwort von Mama Heike am 30.10.2006, 9:21 Uhr

*

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Sicher, sicher :-)

Antwort von Frosch am 30.10.2006, 9:23 Uhr

Ist schon klar!

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Re: @Jacky und Mama Heike

Antwort von SusanneZ am 30.10.2006, 9:48 Uhr

Die Hände werden öfter von kleinen Kindern in den Mund genommen, wenn sie erschrecken. Oder auch, wenn nicht gleich Hilfe in Sicht ist, zur Selbstregulierung der Gefühle (hängen gebliebene Nuckelfunktion ;-))

Das hat aber GAR NICHTS mit Aggressionen gegen sich selbst zu tun. Das ist eine ganz automatische (Trost-)Reaktion. Selbstzerstörungen geht mit ganz anderen Zeichen einher!: hält lange an, beißen so tief wie möglich, starke Aggression zu spüren und in der Regel wohl auch ohne das "normale" Weinen sondern mit kreischen und bocken, strampeln.

LG

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