ADHS - ADS

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Geschrieben von Dezemberbaby2012 am 22.01.2020, 12:09 Uhr

Extrem-Ausraster in der Öffentlichkeit (Richtig lang, aber bitte Hilfe!)

Hallo,

ich brauche mal Input von außen.

Zum Hintergrund:
Mein Sohn (7) war schon seit Geburt ein Baby mit besonderen Ansprüchen (u.a. aufgrund Geburtstrauma). Sehr nähebedürftig, ließ sich nicht ablegen, Dauerstiller usw. Später starkes Temperament, hohes Autonomiebedürfnis, starker Wille, hohe Impulsivität. Jetzt (Schulkind) Probleme mit motorischer Unruhe, Regelverstößen, Impulsivität und Arbeitsverhalten. Ansonsten sehr intelligent, lieb, sensibel. Vor einem halben Jahr wurde ADHS bestätigt, wir sind seitdem in Behandlung in einer KJP-Ambulanz.

Unsere Erziehung war schon immer sehr bedürfnisorientiert, als Baby nie schreien gelassen, viel Nähe, Liebe, Freiraum, Familienbett, Stillen nach Bedarf usw. Damit konnten wir viel auffangen, aber nicht alles. Im Kleinkind-/Kindergartenalter nach und nach Einführung von (wenigen wichtigen) Regeln sowie schließlich auch von logischen Konsequenzen bei Nichteinhaltung (z.B. Spielzeugauto gegen Fenster werfen -> Auto kommt nach einmaliger Verwarnung erstmal weg.) Soweit, so schön.

Zu Hause kommen wir mit Verständnis, Liebe, Regeln und Konsequenz ziemlich gut zurecht. Nun ist es allerdings so, dass er von Zeit zu Zeit richtige Ausraster hat. Er steigert sich dann (aus einer Kleinigkeit) richtig in etwas hinein. Wie ein Trotzanfall bei Kleinkindern, nur dass er eben schon ein Schulkind ist und natürlich auch mehr Kraft hat. Normalerweise kann ich ihn rechtzeitig wieder „runterholen“ aber manchmal klappt das eben nicht. Dann wütet er, beschimpft mich oder andere, schreit alles zusammen, schlägt und tritt um sich, zerstört Dinge (wirft z.B. im Laden die Caprisonne auf den Boden, dass sie spritzend zerplatzt), rennt weg etc. Er kennt dann kein Stopp! und keine Rücksicht auf Verluste. Und manchmal passieren solche Momente eben auch, wenn wir unterwegs sind. Einige hier werden sowas vielleicht kennen. In der Regel beruhigt er sich dann irgendwann wieder von selbst, wenn man ihm Zeit und Ruhe gibt. Ich versuche währenddessen nur, ihn abzusichern (d.h. akute Eigen- oder Fremdgefährdung vermeiden).

Zur eigentlichen Frage:
Gestern holte ich ihn von der Schule ab und weil das Wetter so schön war, haben wir an einem Park angehalten und uns dort ein wenig umgeguckt. Nach einer Viertelstunde meinte ich, wir sollten jetzt langsam wieder zum Auto zurück, denn es wurde dort abseits des Weges immer matschiger und wir hätten dafür nicht die richtigen Schuhe an. Er wollte mir dort unbedingt noch auf einem kleinen Hügel etwas zeigen, ich merkte aber schon, dass er immer zappeliger wurde. Also okay, noch den Hügel und dann zum Auto war der Deal.

„Zur Belohnung“ holte er aus und trat mit voller Wucht und Absicht gegen einen großen Maulwurf-Erdhaufen. Matschige Erde flog in alle Richtungen, Schuh bis oben zum Strumpf dreckig, ich bangte um mein Kleid. Sagte ihm ruhig, okay, auf diese Weise mag ich hier aber nicht mehr mit ihm bleiben, wir gehen zurück zum Auto. Er sofort auf 180, er geht jetzt nirgendwohin. Ich sage, komm bitte, wir können ja nochmal wiederkommen, mit Gummistiefeln, dann kann er hier „rumsauen“. Ich wartete kurz, bis er sich entschieden hatte, aber er wollte nicht. Ich sagte nochmal komm jetzt bitte, mir wird jetzt auch langsam kalt (hatte keine Jacke), er wollte immer noch nicht. Gutes Zureden, Fehlanzeige. Nein, er kommt nicht und Schluß. Schließlich sage ich, ich gehe jetzt zum Auto. Keine Reaktion. Bin langsam hingegangen. Man musste über eine kleine Brücke zum Parkplatz. Am Auto drehe ich mich um, er steht immer noch da wo er stand. Schließlich fängt er an zu brüllen, ich soll sofort zurückkommen! Geht kurz danach hinter mir her bis zur Brücke. Dort bleibt er stehen und fängt an zu zetern. Vom wütenden Schreien schließlich zum Weinen. Er hätte Angst und ich solle sofort zurückkommen. Geht aber nicht einfach über diese blöde Brücke. Ich inzwischen ins Auto gestiegen, denn mit Erkältung bin ich ihm auch nicht hilfreich. Er brüllt und weint weiter die Gegend zusammen.

Ich habe jetzt drei Möglichkeiten:
Erstens: Ich gehe zurück zu ihm. Wenn ich Glück habe, rennt er dann nicht weg (macht er gerne, damit ich ihn „einfange“, das Spiel kann er stundenlang spielen...) Im Idealfall kommt er dann also sofort und freiwillig mit mir zurück zum Auto. Dann hat er aber daraus gelernt: Ich muss nur genug Krach machen, dann kommen Mami (und alle anderen Menschen, z.B. meine Lehrerin....) genau dahin zurück, wo ich will. Das macht er gerne, dass man genau zu einem von ihm definierten Platz kommen soll. Und wenn nicht, dann....explodiert die Welt.
Zweite Möglichkeit: Ich warte am/im Auto auf ihn, bis er sich von selbst beruhigt hat (meistens tut er das, aber eben nicht immer) und habe ihn von dort im Blick, denn er kann nur über die kleine Brücke kommen, an deren Ende ich stehe. Hinter dem Park sind nur Felder, also alles relativ sicher.
Dritte Möglichkeit: Ich fahre weg, weil er sich so aufführt und lasse ihn als Konsequenz zu Fuß nach Hause gehen (den Weg kennt er.) Diese Möglichkeit verwerfe ich aber gleich wieder, da ich Angst habe, dass er sich in Gefahr bringt, wenn er so aufgeregt ist.

Ich entscheide mich für die zweite Möglichkeit und warte also im Auto. Er schreit und weint abwechselnd weiter. Er tut mir unendlich leid, mein Herz tut weh, aber ich weiß auch, wenn ich zurückkomme, helfe ich ihm nicht, höchstens nur vordergründig. (Zu meinem Kleinkind wäre ich natürlich zurückgekommen). Er weiß auch, dass ich da konsequent bin, er kennt die Situation und ihre Lösung also eigentlich: Er ist nicht alleine, und wenn er Angst hat, kann er einfach zu mir kommen.

Neben dem Park ist eine Werkstatt, sonst keine Häuser, nur eine große Straße hinter mir. Meine Einschätzung: er stört hier niemanden, also warte ich ab. Nach ungefähr 10 Minuten kommt plötzlich ein Mann aus der Werkstatt (bei der ich Kunde bin.....) schaut mich böse an und geht über die Brücke zu meinem Sohn. Spricht ihn kurz an, mein Sohn geht mit und beide kommen über die Holzbrücke zu mir. Der Mann kommt wütend auf mich zu: „Was Sie hier machen geht jawohl gar nicht!“ Ich versuche mein Kind ins Auto zu bugsieren, aber der Kleine Kerl rennt schon wieder ein Stück weit weg. „So geht man mit einem Kind nicht um! Der Kleine hat Angst!“ beschimpft mich der Mann weiter. Ich sollte mein Kind doch mal anschauen! Er wäre ja ganz aufgelöst! Und ich könne ihn doch hier nicht rumbrüllen lassen! Das ginge ja gar nicht! - Ich versuche den Mann zu beruhigen, sage ihm, dass das schon in Ordnung sei. Er: Nein! Das geht gar nicht! Er hätte selbst zwei Kinder! Und sowas würde er nie machen! Ich käme ja offensichtlich mit meinem Kind nicht zurecht! „Und schauen Sie mal, was er jetzt macht!!“ Ich dreh mich um, ist mein Kleiner über die vielbefahrene Straße gerannt, während der Hornochse (sorry) mich abgelenkt hat. Ich denke mir: Okay, jetzt ist er schon drüben, ich fange ihn gleich in Ruhe wieder ein, nicht dass er nochmal über die Straße rennt. Wende mich wieder dem Mann zu, schwanke zwischen Ärger, Rechtfertigungszwang und Verständnis. Gebe ihm freundlich zu verstehen, dass ihn das nichts angeht und alles schon seinen Grund und seine Richtigkeit hat. Er beschimpft mich weiter, ist total aufgebracht, das Kind täte ihm so leid, er werde sich mein Autokennzeichen merken und droht mir indirekt mit Konsequenzen (Jugendamt?). Er müsse sich da einmischen, denn so ginge man mit einem Kind schließlich nicht um. Ich sage ihm, ich fände es ja eigentlich toll, dass er sich da einmischt, denn es könnte ja wirklich mal ein Kind in Not sein. Ich könne ihn verstehen, aber in diesem Fall wäre das wirklich unnötig. Mein Sohn hätte ADHS (ich hasse das, meinen Sohn gegenüber wildfremden Leuten zu „outen“), er hätte auch nicht wirklich Angst, und meine Reaktion wäre schon in Ordnung und mit Fachleuten abgesprochen. Er: Das wäre ihm egal, und das wäre überhaupt nicht in Ordnung, ich hätte mein Kind ja offensichtlich nicht im Griff und er hätte schließlich auch zwei Kinder.... Da habe ich aufgegeben, ihm zu seinen zwei gesunden Kindern gratuliert, bin ins Auto gestiegen und meinem Sohn hinterhergefahren, der sich nach ruhiger Ansprache auch sofort einfangen liess. Im Auto tat ihm alles unendlich leid und er macht das nie wieder.....

Ich fühle mich sch.... Mir ist so eine Einmisch-Situation schon öfter passiert, aber nicht in unserem Dorf, wo uns alle kennen (bzw. gerade kennen lernen, wir sind zugezogen), sondern bisher meist in irgendwelchen Einkaufszentren. Und da war er auch noch etwas jünger, da konnte man das noch als verspätete Trotzphase darstellen. Die Leute können sich einfach nicht vorstellen, dass es sowas bei einem Siebenjährigen gibt und NICHT meine Erziehung schuld sein könnte ... Sie wollen ihm helfen und machen nur alles schlimmer.

Ich bin ärgerlich, dass der Typ sich einmischt und mich beschimpft.
Ich schäme mich, dass ich meinen Sohn vor wildfremden Menschen als „nicht normal“ bezeichnen muss, um die Situation zu entschärfen.
Ich fühle mich ungerecht behandelt, weil man mir die Erziehungskompetenz abspricht.
Ich bin unendlich hilflos, denn ich möchte nicht, dass mein Sohn im Dorf (und damit auch in der Schule) als „nicht normal“ oder „Spinner“ abgestempelt wird.
Und ja, ich bin auch wütend auf meinen Sohn, dass er uns in diese Situation bringt.

Und ich habe plötzlich Zweifel.... Habe ich mich vielleicht doch falsch verhalten? Hätte ich nachgeben müssen und zu meinem Sohn gehen sollen? Zumindest habe ich die Situation falsch eingeschätzt, dass uns keiner hört....

Kennt ihr solche Extrem-Situationen? Wie verhaltet ihr euch da? Zieht ihr eure ADHS-Erziehungsgrundsätze (z.B. Konsequenz....) durch oder vermeidet ihr um jeden Preis Aufsehen in der Öffentlichkeit?
Wie „rechtfertigt“ ihr euer Verhalten bei Einmischung? (Ja ich weiß, man sollte sich eigentlich gar nicht rechtfertigen, aber ich wollte Verständnis schaffen und deeskalieren). Hat euch schonmal wirklich jemand bei Polizei/Jugendamt/Schule angeschwärzt?

HILFE!!!!


Dezemberbaby

 
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