Rund um die Erziehung

Rund um die Erziehung

Fotogalerie

Redaktion

 
Ansicht der Antworten wählen:

Geschrieben von solelo am 27.11.2006, 23:18 Uhr

Nichterziehung/Brainstorming + Antwort Mama Heike

Hallo Mama Heike, Marion und all die anderen, die mitgesenft haben,

hier mein Senf :-)

*friedliche Eltern-Kind-Beziehung (rEKB *gg*)

ja, das ist ganz gut, Baunmühl spricht auch von BEziehung. Trotzdem, geht nicht als Verb. Man braucht ein Verb, um darüber reden zu können.

*friedliches Aufziehen

mh, klingt fast wie Hunde aufziehen. Und eigentlich auch wie "erziehen". Ziehen ist eh schon schlecht ;-)

*friedliches Großwerden

das ist gut, aber von der Perspektive der Kinder aus gesehen. Das beschreibt nicht, was die Eltern dabei machen...

* elterliche Friedfertigkeit *gg*
* So wie ich dir, so du mir *gg*

LOL ;-)

* unautoritär erziehen

ist doch eigentlich fast das gleiche wie Antiautoritär erziehen. Also auch von Sinn her sehe ich keinen Unterschied, das war genau das, was antiautoritäre erziehung wollte.

* intuitive Begleitung

ganz nett, geht auch als Verb :-) Überhaupt auch ohne "intuitiv", ist "begleiten" schon echt gut, das trifft es schon eher. Antiautoritär oder von mir aus unautoritär begleiten, hört sich gut an.

Vielleicht sogar: Kindgeleitete Begleitung, das würde das widerspiegeln, was Mama Heike schon sagte, im Grunde braucht man nur auf das Kind zu hören, dann weiß man, ob man es richtig macht.

Wenn man den Begriff "Erziehung" unbedingt behalten will, kommt es mir so vor, als wolle man sich ein Hintertürchen offen halten um doch noch ab und zu zu "trainieren".

Begleitung, "Lenken" oder nicht - es kommt letzten Endes immer darauf an, wie man sich verhällt, wenn *nicht* das "gewünschte" (von den Eltern gewünschte!) Verhalten eintritt! Daher stört mich das "Lenken" auch, weil ich mir vorstelle, dass es Eltern gibt, die solange "Lenken" (nerven), bis das Kind aufgibt und das halt einfach tut, was erwartet wird. Es geht nicht darum, nur die "positiven" oder "friedlichen" Erziehungsmethoden zu verwenden, es geht darum, sämtliche Erziehungsmethoden, "Techniken", fallen zu lassen und dem Kind einfach nur ein Umfeld zu bieten, indem es sich selbst entfalten kann (dabei ist doch völlig klar, dass wir nicht die gaaaaanze Bandbreite, die diese Welt an Möglichkeiten hat, bieten können!). Ich kann ein paar Mal sagen "wir machen den Mund zu bei Essen", aber dann ist es schon genug Lenkung, manche Nichterzieher werden sogar sagen, es überhaupt angemerkt zu haben, ohne gefragt worden zu sein, ist zu viel des Guten. (Man könnte auch warten, bis das Kind das selbst sieht oder irgendwann das Thema ganz natürlich aufkommt, etwa wenn das Kind fragt, was "Manieren" sind, weil es das irgendwie in einem Buch gelesen hat oder so). Wenn man JEDEN TAG oder häufig ständig genervt wird mit "friedlichen" Bemerkungen oder "Info" oder "Erinnerungen", dann ist es nicht mehr "begleiten" und auch kein kindgeleitetes begleiten sondern begleiten nach den Vorstellungen der Eltern = Erziehung.

Antwort zu Mama Heikes Bemerkungen:

***Sieh es mal so, wir haben alle eine Menge Dinge im Kopf, die Experten (oder welche die es sein wollen) einmal losgelassen haben. Diese Dinge haben wir "verdaut" und die haben nun ihren Platz in unserem Kopf.
Wir haben ausgewählt, was zu uns passt (mit all unseren Erfahrungen) und womit wir uns idendifizieren können, was uns logisch erscheint und aufgrund unserer Erfahrung Sinn macht oder machen könnte.***

Was du hier beschreibst ist eigentlich genau das Gleiche, was im Kopf des Kindes vorgeht. Indem du ein Umfeld für dein Kind schaffst, und indem du es unbewusst/ungewollt "beeinflusst", egal wie "wenig" du erziehst, *bildest* du den Charakter und den Geist nicht. Das Kind entscheidet *selbst*, was es aufsaugt, und was nicht, was nützlich ist, und was nicht. Es vermischt die Info mit den eigenen Erfahrungen und zieht seine eigenen Schlüsse. Wie du schon sagst "WIR haben ausgewählt, was zu UNS passt..." etc. Das ist genau das, was Kinder tun, schon von Anfang an. Denn so gesehen, wie du es versuchst zu erklären, ist dann "Erziehung" im Sinne von Lenken, beeinflussen - überall und für immer im ganzen Leben, nicht nur in der Kindheit "Erziehung" findet dann ein ganzes Leben lang statt, das ist es aber einfach nicht. Der Unterschied ist, dass irgendwann, wenn wir erwachsen sind, wir keine Menschen mehr haben, die ein besonderes Anliegen haben, uns in eine ganz *bestimmte Richtung*) zu "lenken" und zu beeinflussen (das ist es nämlich, was mich an deinen Ausführungen stört, ich habe das Gefühl, Erzieher "light" wollen sich das Recht behalten, recht massiv in eine ganz bestimmte Richtung zu lenken, anstatt nur Voraussetzungen zu schaffen (also einfach ganz normal nach den eigenen Prinzipien und Idealen zu leben) – letzteres ist nämlich Erziehung, und kein Erwachsener will erzogen werden. Jeder, Kinder und Erwachsene, wollen aber ein reiches Umfeld (wir bereichern das natürliche Umfeld, wenn wir ein Kind kriegen, weil wir mehr bieten wollen, mehr Möglichkeiten und vor allem, weil wir da erwachsene Umfeld etwas kindgerechter gestalten wollen) von dem sie wählen können und ein Art Führung, besser, Orientierung. Das ist es, was Eltern leisten können und sollen, und das ganz ohne Absicht, außer, liebevoll für die Kinder da zu sein.

Das braucht man doch nicht Erziehung zu nennen.

***Ein Kind kann also nur Geist und Charakter ausbilden (also Mensch werden), wenn es in einer Umgebung mit Menschen aufwächst. Ich kann mich als Mensch nicht weglassen. Und weil ich mich nicht weglassen kann, wirke ich weiter auf den Geist und den Charakter meines Kindes, nämlich mit dem was tue und denke. [...]

Schon allein bei der Gestaltung des Kinderzimmers, bei der Auswahl des Spielzeuges, bei den Materialien, die es zur Verfügung hat, selbst bei dem, was ich meinem Kind zu essen gebe - ich präge mein Kind, und damit auch seinen Geist und seinen Charakter [...]

Und die Sinneseindrücke auf das Kind beginnen bereits im Mutterleib. [...].

Von daher ist es falsch, wenn du behauptest, ein Kind bilde seinen Charakter und seinen Geist ALLEINE.***

Ich weiß jetzt nicht mehr, ob ich "alleine" gesagt habe, aber gemeint habe ich auf jeden Fall "selbst" ;-) Wie auch immer, ich gebe dir Recht, dass wir Einfluss haben, und ich gebe dir Recht, dass wir da viel kaputt machen können, wenn wir "falschen Einfluss" nehmen (z.B. mit Erziehung ;-) ).

Es ist aber doch einfach völlig klar, dass man den Einfluss, den du beschreibst, den liebenvollen Umgang usw, dieses Umfeld bereiten, nicht weglassen KANN! wie soll das gehen? Selbst wenn du das Kind total vernachlässigst, ist das auch "Einfluss".

Die Frage ist einfach, wie reagierst du, wenn das Kind sich nicht so verhält, wie du es dir wünschst, dir vorgestellt hast, oder wie es der "Einfluss" irgendwie hätte "hervorbringen sollen". Was passiert, wenn das Kind einfach eine andere Richtung einschlägt, als du hingelenkt hast?

Ich will hier Willibald Papesch zitieren (er erklärt so toll :-) www.papesch.de). Ich habe auch auf unerzogen.de schon gepostet, aber wenn ihr schon hier seid...:

(was ich besonders wichtig für diese Diskussion finde, markiere ich mit **...**)

/Zitat/

SELBSTREGULIERUNG

Der technische Ausdruck aus der antiautoritären Erziehung (Neill) dafür lautet "Selbstregulierung". Die Gehirn- und vor allem die Säuglingsforschung
hat die Richtigkeit dieser Methode inzwischen empirisch belegt:

"Kinder werden nichts von dem registrieren, was man ihnen sagt, solange es für sie keinen Sinn ergibt. Andere Menschen prägen nicht einfach die Handlungen der Kinder, **die Eltern sind nicht die Programmierer**. Sie scheinen vielmehr so angelegt zu sein, dass sie genau zur richtigen Zeit die nötigen Informationen **liefern**, damit die Kinder sich **selbst** programmieren können."

Gropnik, Kuhl, Meltzoff: Forschergeist in Windeln. Serie Piper 3538/2003/S. 201

Die Information enthält drei wesentliche Aussagen:

1. Kinder programmieren sich selbst (d.h. sie *lernen*)
2. Eltern schaffen die dafür die (Lern-)Umgebung ("liefern zur richtigen Zeit
die nötigen Informationen")
3. Kinder lernen nur (und verinnerlichen), was für sie einen Sinn ergibt.


ELTERLICHE ERWARTUNGEN UND AUFGABEN

Auch bei einem Zusammenleben der nach den Grundsätzen der Nicht-Erziehung fällt Eltern eine Führungsaufgabe zu: Sie leben vor, was das Kind lernen
**kann**; sie schaffen die dazu unerlässliche Umgebung; sie haben bestimmte Vorstellungen und Erwartungen, durch die sie selbstverständlich auf das Kind einwirken; sie haben (berechtigte) Interessen, die sie dem Kind gegenüber vorbringen, vertreten, mit ihm abstimmen .... usw.

[mehrere Beispiele, was Willibald und seine Frau von ihren Kindern "erwartet" haben, könnt ihr bei Interesse auf meiner Seite nachlesen]

FOLGEBEREITSCHAFT

Der zentrale Denkfahler sowohl bei Erziehung als auch bei Nicht-Erziehung liegt im Begriff "Gehorsam". Die Erziehung erzwingt Gehorsam, weil sie dies für unerlässlich hält; Nicht-Erziehung lehnt - zu Recht - Gehorsamserziehung ab.

Gehorsam aber ist der falsche Begriff, der falsche Denprozesse und Lebenshaltungen auslöst. Der richtige Begriff lautet "folgen": Kinder wollen und müssen - wie jedes Jungtier dem Muttertier - den Eltern folgen im Sinne
von nach-folgen. Sie erwarten deshalb natürlicherweise, dass die Eltern ihnen auf den "richtigen" Wegen vorangehen, also "Führung" übernehmen. Wie anders
sollten sie denn sonst all jene Dinge lernen, die zum Überleben in ihrer jeweiligen Umgebung erforderlich ist: der Eskimo, der Mitteleuropäer, der Tuareg ...?

**Kinder werden mit einer natürlichen Folgebereitschaft (Lernbereitschaft) geboren; die elterliche Bereitschaft zur Führung passt dazu wie der Schlüssel zum Schloss.**

[...]

ELTERLICHE FÜHRUNG

[...] [Wie elterliche Führung aussehen kann (Beispiele), auch auf der Webseite, sonst zitiere ich hier so viel)]

/Zitatende/

***Ich gebe dir völlig Recht, dass Eltern nicht das Recht haben, ein Kind nach Belieben zu formen oder ihm ein Lebensziel vorzuschreiben. Kinder widersetzen sich diesem Anliegen ganz gewaltig: sie trotzen. Diesem Warnsignal können wir vertrauen.
Im Grunde braucht man nur am Kind abzulesen, ob man es richtig macht oder ab man seine Anspruchshaltung besser überdenken sollte.***

Ganz recht :-)

***Heute bringen es die wenigsten Eltern übers Herz, ihre Anspruchshaltung auch wirklich mit Macht durchzudrücken.**

Na ja, na ja... das ist aber sehr idealistisch. die WENIGSTEN??? Ich bitte dich!

***Zumindest suchen sie VORHER händeringend nach einem Ausweg aus diesem Dilemma.***

Ja. Ihr Stressgefühl, wenn sie falsch (=erzieherisch, meistens) handeln lässt sie eigentlich wünschen, einen anderen Ausweg zu finden. Die meisten sind aber so von Erziehung überzeugt, und dass es halt "sein muss", und es ist so normal geworden, dass Kinder eben schreien, trotzen, dass sie es nicht mehr als Warnsignal sehen. Sie denken, da müssen sie beide durch, sie, und das Kind. Und daher suchen sie nicht lange, und viele glauben erst gar nicht, dass es anders irgendwie gehen könnte. Und je mehr sie erziehen, desto schwieriger wird es, weil Erziehung immer mehr Erziehung verlangt, und so fühlen sich Eltern immer mehr bestätigt im Glauben, Erziehung sei notwendig.

***Da aber die wenigsten Braunmühl gelesen haben, wird es immer skeptische Blicke geben, wenn jemand sagt: „Schaff doch einfach Erziehung ab, dann klappt das schon.“
Du gibst schon allein dem WORT „Erziehung“ einen negativen Beigeschmack, weil du nur das Menschenverachtende mit Erziehung verbindest. Vina ist da noch mehr auf das Negative fixiert, sie schmeißt gleich mit „Faschismus am Kind“ rum, was sicher auch nur ein „Experte“ losgelassen hat.***

Ich gebe dir Recht, und ich habe da auch schon lange darüber nachgedacht. Aber Mal ehrlich, es gibt kaum gute ander Wörter, die Erziehung laut Braunmühl und Erziehung laut Duden *ausschließen*. Auch "Begleitung" kann solche Erziehung einschließen, und da ist es logischer, zu sehen, dass man logischerweise den Einfluss EH nicht sein lassen kann, und dass daher DAS mit "Weglassen" nicht gemeint sein KANN. (Ich gebe zu, man muss sich dann schon ein bisschen damit befasst haben, um dahinter zu kommen.)

Der Name ist im Grunde egal, solange wir uns einig sind :-) Ich hatte aber bei dir oft das Gefühl, dass du ein mini-bisschen eben doch erziehst, und zwar nicht nur, was den von dir beschriebenen "Einfluss" betrifft, das würde ich gar nicht als Erziehung bezeichnen, auch wenn das vielel Eltern in diesen Begriff mit hineinnehmen, denn ein Umfeld schafft man sowieso, Liebe kann man ebenso kaum weglassen... Aber du sagtest ein Mal (und meine Kritik dazu blieb stets unbeantwortet), es ginge darum, das "nichtwollen" des Kindes in ein "wollen" "umzuwandeln", und das fällt schon ein eine andere Kategorie als "Umfeld schaffen" rein.

Nichterziehung ist so oder so, mit oder ohne solchem Namen, schwer in einem Posting zu erklären, und sehr viele Eltern glauben trotzdem ganz fest an den Sinn von erzieherischem Training oder irgendwelchen Erziehungstechniken und -methoden. Der Name Nichterziehung hat vor ein paar Wochen für große Aufregung gesorgt, ein guter Aufhänger also, der die Leute zumindest nicht davon abhält, sich mit dem Thema auseinander zu setzen, vielleich gerade, weil er so "provokativ" ist.

Du wirst wahrscheinlich nicht auf das Wort "Erziehung" verzichten – genausowenig kann ICH ihn verwenden! So wie du Erziehung beschreibst, klar, stecken positive Eigenschaften drin, aber im Grunde geht es schon darum, andere Menschen zu formen und massiv in eine Richtung zu lenken, sonst.... "x". Ich kann solange "Erziehung" als Wort nicht verwenden, solange das Wort auch was Negatives hat, und das hat es laut Duden, laut Menschenverstand und für mich auch als ehemalige Linguistin: das Wort selbst hört sich schon irgendwie... "nicht richtig" an.

Gruß
Johanna

 
10 Antworten:

Dann hole ich meinen Senf mal hoch...

Antwort von Mama Heike am 27.11.2006, 23:28 Uhr

Ich habe dir weiter unten Folgendes geschrieben (falls mir noch was zu deinem jetzigen Beitrag einfällt, schieb ich noch was nach):

Hallo Johanna,

wir hatten hier im Forum mal eine sehr aufgebrachte Diskussion um das Wörtchen „Strafe“. (Leider ist in diesem Gerangel um ein kleines Wörtchen das eigentlich interessante Thema total untergegangen.)

Die Mißverständnisse kamen daher, weil Wörter in unserer Sprache NUR eine Bedeutung haben und keinen WERT.

Du suchst also nach einem anderen Wort für Erziehung, weil du ein bestimmtes inneres Bild von diesem Begriff hast. Du bewertest also dieses Wort.
Ich habe auch ein inneres Bild für Erziehung, so wie jeder seine eigenen Assoziationen hat, wenn er dieses Wort hört oder liest: Erziehung! Und manche schnappen sogar total über. :-)))
Was bedeutet denn nun dieses eine Wort "Erziehung"?

Du schreibst: „Es darf auf jeden Fall NICHT irgendwas mit "Erziehung/erziehen" heißen, denn obgleich manche eben auch das "Lenken" und "Bedingungen Schaffen" damit verbinden, so ist die "offizielle" Definition, oder EINE allgemeine Definition, eine menschenverachtende, siehe Duden-Definition.“

Und das (also menschenverachtend) ist die Duden-Definition eben nicht! Da machst du einen Denkfehler und mir ist wichtig, das zu klären, auch wenn es jetzt ziemlich theoretisch werden wird.
Die Definition im Duden ist völlig wertfrei! Du bist nur so von deinem inneren Bild so sehr befangen, dass du es nicht mehr siehst.

Im Duden steht (sinngemäß:
„Erziehen ist, wenn man den Geist und Charakter eines Kindes bildet.“
Ja, dass machen wir, aber schon allein dadurch, dass das Kind bei uns aufwächst. (Mehr Beispiele habe ich dazu schon in meinem letzten Posting gegeben.)
Etwas anderes wäre es, wenn im Duden stehen würde:
„Erziehen ist, wenn man versucht, den Geist und den Charakter eines Kindes -- gegen den Willen des Kindes -- zu bilden.“
Das wäre dann z.B. der Fall, wenn ich mein schüchternes Kind auffordern würde, etwas „Mutiges“ zu tun. Das wäre so nur ein frommer Wunsch und es ist auch nur ein Versuch, denn das Kind widersetzt sich, wenn jemand an seinem Stolz und seiner Würde kratzt.

Nun gehe ich mal einen Schritt weiter:
„Erziehen ist, wenn man versucht, den Geist und den Charakter eines Kindes gegen den Willen des Kindes zu bilden und Mittel nutzt, um den kindlichen Widerwillen zu bezwingen.“
Puhh, das klingt doch schon gewaltig oder? Ich würde dann mein schüchternes Kind ZWINGEN, etwas Mutiges zu tun.

Zu der weiteren Duden-Definiton verhält es sich analog: „Erziehen ist, das Kind zu einem bestimmten Verhalten anleiten.“ Auch das ist so formuliert völlig wertfrei!

Denn es steht nichts darüber, ob ich dazu Mittel benutze, die menschenverachtend sind. Man könnte mutmaßen, dass es sich um ein bewußtes Anleiten handelt. Selbst wenn ein bewußtes Anleiten gemeint ist, nimmt ein Kind keinen Schaden, solange ich keinen Druck und keine Gewalt (auch keine subtile) auf mein Kind ausübe. Es denkt sich höchstens seinen Teil. Ich gehe z. B. sehr bewußt mit Pflanzen und Tieren um. Mein Vater hätte kein Problem damit, eine Nacktschnecke über den Gartenzaun zu schmeißen oder zu zertreten, wenn meine Kinder dabei sind. Die Große wäre empört, aber die Kleine (2 Jahre) würde die „Geringschätzung“ der Schnecke wohl völlig normal finden. Ganz unbewußt läuft meist das Trösten ab, was auch ein Anleiten ist: „Wo tut´s denn am allermeisten weh?“ Das kleine Kind hört auf mit Brüllen (mehr aus Schreck, als aus Schmerz) und fühlt in seinem Körper nach, wo die Stelle ist.

Im Duden könnte aber auch stehen: „Erziehen ist, das Kind zu einem bestimmten Verhalten anleiten und das gewünschte Verhalten erzwingen. “ Aber so steht das eben nicht! Und das aus gutem Grund: Im Duden wird das Wort „Erziehung“ nur von seiner Bedeutung her geklärt, mehr nicht.

Alles andere Reininterpretieren ist „im Kaffesatz lesen“.

Es gibt kein anderes Wort dafür, was beschreiben könnte: Mir ist für eine gewisse Zeit ein Kind anvertraut und ich bin bereit, diese Verantwortung anzunehmen. Das ist Erziehung. Unzureichende Erziehung wäre Verwahrlosung und gar keine Erziehung wäre das Aufwachsen eines Kindes in einem Umfeld ohne Menschen.

So, ich hoffe, dass das jetzt nicht zu theoretisch war und es klärt auch ganz sicher nicht dein eigentliches Problem, dass Wort „Erziehung“ ersetzen zu wollen.
Aber ich kann dir da leider keine Hilfe sein, denn ich finde es völlig unnötig, ein geeignetes Wort zu ersetzen, man kann es ja beliebig ergänzen und damit Erziehung einen Wert geben.

Vielleicht würde ich an deiner Stelle doch auf einen englischen Begiff ausweichen, ich weiß es nicht. Da ist mir aber ehrlich gesagt der amerikanische „Wahnsinn“ zu präsent, für jedes Problem eine Selbsthilfegruppe zu gründen und das natürlich unter eigenem, unverwechselbaren Namen. Aber dieses Phänomen der „Grüppchenbildung“ ist wieder ein ganz anderes Thema.

Ich habe mich mittlerweile an „Nicht-Erziehung“ gewöhnt, so wie ich auch kein Problem habe „Konsequenz“ zu sagen statt „Strafe“ oder „Grenze“ statt „Verbot“. Man passt sich halt an.

Solange der gesunde Menschenverstand noch funktioniert und man nicht nur mit Nachplappern beschäftigt ist, sehe ich kein Problem.

In diesem Sinne - und für alle die bis hierher gekommen sind: Denkt mal drüber nach oder über was anderes. :-)))

Liebe Grüße
Heike

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

Noch ganz kurz..

Antwort von Mama Heike am 27.11.2006, 23:57 Uhr

Hallo Johanna,

du brauchst mir nicht zu beweisen, ob ich nun in deinem Sinne nicht-erziehe oder erziehe. Ich kann dir nicht bis ins kleinste Detail erläutern, was ich denke und fühle. Es ist im Grunde auch völlig unrelevant, denn mittlerweile kommt mir das so "verquirlt" vor (wir brauchen wohl mal eine Paue), dass das Wichtigste aus dem Blickfeld zu verschwinden droht: Die Kinder selbst.

Kinder lassen sich nicht beliebig formen, aber sie passen sich durchaus an. Später schütteln sie ab, was sie können.

Es gibt aber heute genügend Kinder und es werden immer mehr, die passen sich eben nicht mehr an. Die sind, wer sie sind, und das seit ihrer Geburt.

Liebe Grüße
Heike

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

also, ich verstehe die ganze Wortklauberei nicht. Sorry.

Antwort von wassermann63 am 28.11.2006, 8:20 Uhr

Hi,

es geht doch nicht darum, wie man welche Strategie nennt, sondern was man im Zusammenhang mit den eigenen Kindern tut oder lässt.

Ich für meinen Teil versuche, mich vorbildlich vor meinen Kindern zu verhalten und da korrigierend einzugreifen, wo meines Erachtens ein korrekturwürdiges, ganz falsches oder gar schädliches Vorbild im Verhalten gegeben wird (wenn z.B. mein Mann mit recht antiquarischen Erziehungsmethoden ankommt bzw. ankommen möchte).

Muss ich dafür jetzt eine Bezeichnung finden, um sie mit anderen kontrovers diskutieren zu können? Muss ich es überhaupt kontrovers diskutieren bzw. meine Bezeichnung irgendjemandem aufs Auge drücken? Und muss ich mir von irgendjemandem irgendeine andere Bezeichnung aufs Auge drücken lassen?

Nö.

Ich finde den neuen Denkansatz, den du und "Konsorten" in die Runde "geworfen" habt, sehr, wirklich sehr interessant und habe mir recht viele GEdanken darüber gemacht. Allerdings nicht, um anders auf meine Kinder einzuwirken, sondern um mein eigenes Verhalten nochmal zu durchleuchten.

Aber was ihr jetzt betreibt, ist Wortklauberei und nimmt dem ganzen Diskurs die Kraft aus den Segeln.

Mich würde es vielmehr interessieren, wie ihr an gewisse Detailgeschichten rangeht, also euer Verhalten, wenn ganz spezifische Probleme auftreten. Fände ich viel fruchtbarer als irgendwelche Prinzipdefinitionen.

LG
Jacky

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

P.S.: ging an solelo. o.T. und LG Jacky

Antwort von wassermann63 am 28.11.2006, 8:21 Uhr

.

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

Re: Nichterziehung/Brainstorming + Antwort Mama Heike

Antwort von ny152 am 28.11.2006, 9:36 Uhr

ehemalige linguistin? wie geht das denn? entweder man ist es, weil man sprachwissenschaften studiert hat. dann ist man es auch, wenn man nicht als linguistin tätig ist. aber ehemalige linguistin? ein psychologe ist ja auch kein ehemaliger psychologe. er ist es durch sein diplom sein leben lang.

musst nicht antworten, wenn es dir zu persönlich ist. ich bin nur neugierig.

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

Re: Nichterziehung/Brainstorming + Antwort Mama Heike

Antwort von solelo am 28.11.2006, 10:06 Uhr

Was ist man, wenn man angefangen hat, Linguistik zu studieren, und dann aufgehört hat, ohne Abschluss? :-)

Gruß
Johanna

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

ehemalige Möchtegern-Linguistin ;)

Antwort von mathildas_mama am 28.11.2006, 10:11 Uhr

Denn geworden bist Du ja keine. da ohne Abschluß.

LG elke

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

Re: also, ich verstehe die ganze Wortklauberei nicht. Sorry.

Antwort von solelo am 28.11.2006, 10:30 Uhr

Liebe Jacky,

ich gebe dir völlig recht – es geht im Grunde darum, was man tut oder was man nicht tut – vor allem, wenn die Lenkung allein "nicht funktioniert", bzw. darum, was man unter "funktionieren" versteht.

ABER:

1. ist es sehr wichtig, wenn man sich über eine Sache unterhällt, dass man sicher stellt, dass man mit den selben Worten auch das gleiche meint. Wie ich in einem anderen Beispiel schon erklärte, es ist wichtig, wenn wir uns über Elefanten unterhalten, dass wir beide das gleiche unter "Elefanten" verstehen, weil es sonst unweigerlich zu Missverständnissen kommt. Es ist dann so, als ob wir beide eine andere Sprache sprechen, auch wenn wir die gleichen Worte nehmen. Ich kann nicht wissen, was DU unter Erziehung verstehst, und oft setzt man einfach Mal voraus, dass alle anderen das gleiche darunter verstehen, wie man selbst, das ist aber bei solchen Wörtern meistens nicht der Fall. Wenn man sich dann während einer Unterhaltung oft missverstanden gefühlt hat, dämmert es einem dann doch irgendwann, dass der andere vielleicht was ganz anderes meint – und daher ist es wichtig, für den weiteren Verlauf der Diskussion, dass man sich auf eine Definition einigt (haben wir nicht geschafft, aber man kann's ja Mal versuchen) - oder zumindest jeweils weiß, was der ANDERE damit meint (das haben wir immerhin hingekriegt) :-)

Von daher:
**Muss ich dafür jetzt eine Bezeichnung finden, um sie mit anderen kontrovers diskutieren zu können?**

Eine Bezeichnung, nicht unbedingt, eine Definition, ja. Das mit der Bezeichnung war nur, weil Mama Heike meinte, es sei schade, dass die tolle Idee, die hinter Nichterziehung steckt, hinter so einem hässlichen Namen "versteckt" ist, der viele Eltern abschreckt, weil sie eben: eine andere Definition von "Erziehung" haben, somit "NICHTerziehung" abschreckend wirkt.

Ich habe versucht zu erklären, warum ein anderes Wort aber nicht passt, das ist alles :-) Wir haben nur aus Spaß mit Worten gespielt und aus Interesse diskutiert, alles easy, alles relaxed, zumindest für mich. Wenn es hier als Rechthaberei ankam, so tut es mir wirklich leid :-) Ich habe Spaß am Diskutieren und Definieren, sonst würde ich es nicht machen. Wenn ich ein schlechtes Gefühl dabei hätte, und nicht so ein efüllendes, würde ich es lassen - das kann ich auch allen nur raten :-)

Man *muss* nicht, aber es wäre toll, wenn man eine Bezeichung fände, die es GENAU trifft, und die sich dann auch besser verbreiten lässt, ohne dass sie abschreckend wirkt, weil doch die Idee (und die Umsetzung!) so toll ist! :-)

2.

**Muss ich es überhaupt kontrovers diskutieren bzw. meine Bezeichnung irgendjemandem aufs Auge drücken?**

Man *muss* gar nichts – darum geht es ja ;-) Kontrovers diskutieren kann man, wenn man mag, und auch das hilft manchen, und manchen eben nicht. Mag sich einklinken, wer Lust hat, und wer nicht, dann nicht.

Ich hatte nicht das Gefühl, dass Mama Heike mir eine Bezeichung "aufs Auge drücken" wollte, und ich wollte auch niemandem eine Bezeichnung "aufs Auge drücken" – trotzdem haben wir einfach nur unsere Meinung geäußert und ich finde wir haben beide gute Argumente für unsere jeweiligen Bezeichnungen, trotzdem weigere ich mich, meinen Umgang mit meinen Kindern "Erziehung" zu nennen - ich wünsche auch, irgendwann eine schönere, Markt-tauglichere ;-) nicht-abschreckende Bezeichnung zu finden, und daher schätze ich diese Unterhaltung sehr :-)

**Und muss ich mir von irgendjemandem irgendeine andere Bezeichnung aufs Auge drücken lassen?**

Selbstverständlich nicht :-) Es tut mir Leid, wenn hier jemand – oder auch nur du – das Gefühl hatte/hattest, dass ich das wollte.

Ich will nur – weil ich so begeistert bin, und es mich so erfüllt – anderen den Weg zur Nichterziehung erleichtern, nicht zuletzt, weil ich Erziehung (laut meiner Definition) menschenverachtend und kinderfeindlich finde und mir die Kinder leid tun und ich wünschte, jeder würde Nichterziehung so begreifen, wie Mama Heike, wie ich oder andere Nichterzieher, zum Wohl der Kinder. Mir ist dabei völlig klar, dass jeder – JEDER – Elternteil, das Beste für seine Kinder will und niemand aus Boshaftigkeit oder Gemeinheit seine Kinder "menschenverachtend" behandelt - sondern einfach nicht davon überzeugt ist, dass es das ist. Mir ist auch klar, dass auch ICH irren könnte (das glaube ich aber nicht ;-))

Ich will die Information über Nichterziehung, durch.... sagen wir Mal "Öffentlichkeitsarbeit" (Website, Mailingliste, Erziehungsforum) einfach nur in die Welt "streuen" – nehme sich jeder, was er will und kann, manche haben den Weg zur unerzogen-Liste gefunden. Ich möchte niemandem was "aufs Auge drücken", und es tut mir aufrichtig Leid, wenn "deine Augen weh tun" :-)

Wenn dich praktische Hinweise interessieren, lade ich dich herzlich ein, auf der Unerzogen-Mailingliste mitzudiskutieren und zu fragen, fordere uns heraus!

Ansonsten habe ich brandneue Artikel auf www.unerzogen.de gestellt.

Gruß
Johanna

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

Re: ehemalige Möchtegern-Linguistin ;)

Antwort von solelo am 28.11.2006, 10:31 Uhr

Ja, stimmt :-) das liegt daran, dass man im Studium ja auch schon "Linguist" genannt wird – wie die "Mathematiker", die "Lehrer" und die "Physiker", waren wir die "Linguisten", und man hat sich gern schon Mal als "Linguist" bezeichnet ;-)

Gruß
Johanna

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

Re: Nichterziehung/Brainstorming + Antwort Mama Heike

Antwort von ny152 am 28.11.2006, 19:46 Uhr

Was ist man, wenn man angefangen hat, Linguistik zu studieren, und dann aufgehört hat, ohne Abschluss? :-)


eine ehemalige linguistik-studentin, würde ich sagen.

danke für die erklärung, ich konnte mir die "ehemalige linguistin" sonst echt nicht erklären...

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

Die letzten 10 Beiträge
Mobile Ansicht

Impressum Über uns Neutralitätsversprechen Mediadaten Nutzungsbedingungen Datenschutz Forenarchiv

© Copyright 1998-2024 by USMedia.   Alle Rechte vorbehalten.