Chronisch kranke und behinderte Kinder

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Geschrieben von Sabrinau am 23.10.2004, 10:50 Uhr

@Sabine (SAM)

Hallo Sabine,

auch ich finde dein Engagement ganz toll und lese immer sehr interessiert deine Postings.
Inzwischen gibt es ja immer neuere Erkenntnisse über das Down-Syndrom und die betroffenen Kinder leben - zumindest im Baby- und Kleinkindalter - oft auch nicht viel anders als ihre nichtbehinderten Altersgenossen. Dank guter Förderung und eines neues Verständnisses gegenüber DS-Kindern und ihren Eltern konnte dies erreicht werden - das ist gut so!
Trotzdem kann man meiner Meinung nach nicht erwarten, dass werdende Eltern, die erfahren haben, dass sie ein Kind mit DS bekommen, sich allen Ernstes mit anderen Eltern, die ein solches Kind haben, in Kontakt treten. Sie wüssten ja auch gar nicht, wohin sie sich wenden sollten.
Die Realität sieht doch so aus, dass nahezu alle werdenden Eltern, die ein DS-Kind erwarten, sich noch nie Gedanken über Behinderung oder DS gemacht haben. Behinderte Kinder kennen sie meist nur vom Hörensagen, haben selten selbst eins gesehen. Bei DS denken sie sofort an eine schwere körperliche und geistige Behinderung, werden in diesem Denken auch noch von Ärzten bestärkt. Und in einigen Fällen ist es ja auch so. Selbst relativ fitte DS-Kinder sind in aller Regel geistig behindert bzw. haben Lern- und Denkschwächen. Problematisch wird dies besonders, wenn die Kinder in die Pubertät kommen, sprich erwachsen werden.
All dies schwirrt betroffenen werdenden Eltern durch den Kopf. Sie reagieren panisch. So sehr haben sie sich auf ein gesundes, starkes Kind gefreut, dem die Welt offen steht. Nun sollen sie ein Kind bekommen, dessen Leben enge Grenzen gesetzt sein werden. Sie wollen aber kein lernschwaches Kind. Sie wollen kein geistig behindertes Kind. Sie wollen kein krankes Kind. Verständliche Wünsche, denn kein Elternpaar möchte das. Alle Eltern wollen ein Kind, das im Leben alles erreichen kann, was es möchte, das alle Möglichkeiten hat.
Gut, wenn es infolge einr Frühgeburt behindert sein wird oder als Kleinkind in einen Gartenteich plumpst, ist das halt höhere Gewalt. Ein Schicksalsschlag, gegen den man sich nicht zur Wehr setzen kann. Man kann eben nur das beste draus machen. Wie viele Familien allerdings an einem solchen Schicksalsschlag zerbrechen, kann man nur vermuten... Wenn Eltern die Möglichkeit hätten, einen solchen Schicksalsschlag abzuwenden, würden sie selbstverständlich von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.
Bei der Diagnose DS in der Frühschwangerschaft besteht aber für die werdenden Eltern die Möglichkeit, einen schweren Schicksalsschlag, nämlich die Geburt eines behinderten Kindes, abzuwehren. Die Frau kann abtreiben! Und in aller Regel macht sie auch von diesem Recht Gebrauch. Kann man es ihr verübeln? Nein, in meinen Augen nicht.
Noch einmal: Kein Elternpaar wünscht sich ein behindertes Kind. Der Ausspruch werdender Eltern "Hauptsache gesund!" ist schon fast eine Binsenweisheit...
Könnte man andere Behinderungen wie Rett oder Angelmann durch die pränatale Diagnostik erkennen, würde sicherlich auch eine große Zahl der betroffenen Eltern abtreiben.
Ich habe viele Berichte von Eltern, die ein Kind mit DS haben, gelesen. Die allermeisten wussten während der Schwangerschaft nichts davon, fielen bei der Geburt des Kindes in ein tiefes Loch. Nicht selten haben sich die Väter "vom Acker" gemacht... Viele sprechen auch von der "Liebe auf den zweiten Blick" - den Problemen, das Kind anzunehmen. Manche schaffen es nicht, geben das Kind zu Pflegeeltern oder in ein Heim.
Viele Eltern sehen einfach einen Berg von Problemen auf sich zurollen, wenn sie die Diagnose DS bekommen. In Zeiten von Hartz IV, Massenentlassungen (Karstadt, Opel), steigender Arbeitslosigkeit und eines schwindenden Lebensstandards stellt sich zudem die Frage, inwieweit behinderte Kinder künftig überhaupt noch gefördert werden.
Erst kürzlich las ich in der Zeitung die Klage der Kommunen, Krankenkassen etc., dass behinderte Menschen immer mehr Geld kosten würden... Angesichts solch düsterer Zukunfsaussichten tun sich ja ohnehin viele Leute mit dem Kinderkriegen schwer. Viele Eltern glauben auch, dass behinderte Kinder in unserem Land sowieso keine Zukunft haben und aus Kostengründen alle Fördermaßnahmen, betreutes Wohnen etc. eh bald den Bach runter gehen.
Zudem sind die Familienverhältnisse nicht überall auf ein behindertes Kind eingestellt. Beengte Wohnverhältnisse, ein knappes Budget, eine labile Beziehung - und dann noch ein behindertes Kind? Ich glaube, man muss sich da einfach etwas mehr die Realitäten vor Augen führen und sollte bei DS nicht nur an Medienstars wie Bobby Brederlow oder diesen spanischen Lehrer mit DS - wie heißt er doch gleich? - denken. Das sind Ausnahmen, die nicht die Regel bestimmen. Genauso wie der Lotto-Millionär oder der Verwirklicher des amerikanischen Traums absolute Ausnahmen sind.
Ich bin kein Freund von unüberlegten Abtreibungen. Ich finde es unverantwortlich, wenn Frauen leichtfertig schwanger werden - so nach dem Motto: Ich kann ja wieder abtreiben.
Ich finde es aber völlig in Ordnung, dass verzweifelte Frauen von diesem Recht Gebrauch machen dürfen. Auch die Diagnose DS kann betroffene Eltern ins Bodenlose und in tiefste Verzweiflung stürzen. Ihre Entscheidung - ob nun für oder gegen das Kind - wird ganz sicher nicht leichtfertig gefällt. Auch eine Entscheidung gegen das Kind sollte deshalb verstanden und akzeptiert werden.

Sabrina

 
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