Chronisch kranke und behinderte Kinder

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Geschrieben von Mama von Nicolino am 21.10.2003, 17:22 Uhr

Wir sind wieder da!

Montag, 6.10.2003, Anreise
Abfahrt um 9:00, Ankunft Flughafen Wien 12:00, Boarding um 15:40, Abflug nach Lviv um 16:20, Ankunft Lviv 18:10 Ortszeit, mit typischer Ostblock Abfertigung um 19:00 Flughafen verlassen, dann weiterfahrt nach Truskavetz, Ankunft dort ca. 20:45
Mir wurde bei dem Start der Maschine so schlecht!!! Ich hatte den Fehler gemacht und beim Start aus dem Fenster gesehen, mein Magen hat das nicht verkraftet und zog sich zu einer kleinen Kugel zusammen.
Nach einiger Zeit in der Luft und nachdem ich stur gerade aus in den Gang geschaut habe, statt zum Fenster raus, wurde es besser. Leider spricht das Bordpersonal bei der Ukraine International nur Russisch, Ukrainisch und Englisch mit einem brutralen Akzent, das man es kaum versteht. Den ganzen Flug hatte ich die Befürchtung, das man mich nicht verstanden und deshalb den REHA-Buggy nicht eingeladen hatte – den hatte ich bis vor die Maschine mitnehmen dürfen.
Nach der Landung wurden wir mit dem Bus zum Flughafengebäude gebracht (der Buggy war übrigens da!!!).
Kaum hatten wir das triste und dunkle Flughafengebäude betreten, drückte eine Frau in Millitäruniform jedem einen Zettel in die Hand, den man Ausfüllen musste : Vor und Nachname, Geschlecht, Grund des Aufenthaltes, Dauer des Auenethaltes, wo hält man sich auf (die wollten die genaue Adresse!), Name, Geschlecht und Geburtsdatum des Kindes usw.
Dementsprechend lang hat das ausfüllen gedauert, zumal Nico schon sehr am raunzen und schimpfen war.
Ich war als letzte mit dem ausfüllen fertig und stellte mich in der Schlange an, nun wurden von zwei Frauen in Uniform in zwei kleinen Kabinen akribisch genau die Daten nochmals aufgenommen, die Pässe und die Visa Kontrolliert und noch genau nachgefragt.
Es ging einfach nichts weiter – doch plötzlich wurde ich mit Nico tatsächlich nach vorne geholt und dran genommen.
Ich kam mir so klein und Hilflos vor, weil ich kein Wort verstand, und ich fühlte mich dort alles andere als wohl. Außerdem hoffte ich nur, das der Fahrer vom REHA Zentrum tatsächlich hier war um uns abzuholen.
Ich gab der Frau meinen Paß, mit Nicos Eintrag und dem Visum, und auch die Einladung vom Professor Kozijavkin gab ich dazu.
Alles wurde genaustens inspiziert und geprüft. Plötzlich fuchtelte die Frau ganz aufgeregt mit dem Paß und der Einladung rum, und fragte mich irgendetwas auf Ukrainisch – was ich natürlich nicht verstand. Ich konnte nur da stehen und blöde schauen.
Genauso ratlos sah mich die Dame an und begann wie wild im Paß zu blättern, nach dreimaligen durchblättern fand sie schließlich was sie gesuchte hatte : Nicos Eintrag, diesen hatte sie scheinbar überblättert.
Dann wurde alles in dem Pc eingegeben, und auch das Visum wurde dreimal abgestempelt. Sie krakelte irgendwas auf das Visum und endlich durften wir in den nächsten Raum.
Dort waren noch mehr Menschen in Uniform, aber auch zwei alte Männer mit eindeutiger Schnapsfahne, die man drei Meter gegen den Wind roch. Sie standen bei dem Gepäck und wollten mir für zwei Euro unbedingt die Koffer tragen. Ich schüttelte nur den Kopf und sagte „ No!“
Dann wurde ich von einer Frau auf Englisch gefragt, wieviel Bargeld ich bei mir tragen würde : „1000,- 2000,- or 5000,- Euro???“
Ich zeigte ihr die Brieftasche mit 25 Euro und sagte nur „Not so much!“
„It´s okay.“ Sie brachte mich zum Exit und dort stand ein Mann mit einem Schild in der Hand, worauf „Internationale REHA-Klinik nach Professor Kozijavkin“. Mein Name stand nicht darauf – er fragte mich auch nicht nach dem Namen und Deutsch oder Englisch konnte er auch keines.
Eine fiese kleine Stimme in meinem Kopf kicherte höhnisch : „Bist du sicher, das das der richtige ist? Ein Schild kann sich ja jeder malen. Der kann die alles erzählen, verstehen tust du eh nichts. Und wo er mit dir Hinfährt weißt du ja auch nicht!“
Mit mulmigen Gefühlen folgte ich ihm mit Nico zum Auto uns stieg ein – was hatte ich denn sonst für eine Wahl???
Am Amaturenbrett lag eine halb zerissene Broschüre vom REHA-Zentrum, was mich auch nicht wirklich beruhigte. Das Auto war in einem fürchterlichen Zustand. Was mich noch mehr erschreckte. Die Therapie ist so teuer und dann kommen die mit so einem alten, kaputten Auto?!
So fuhren wird dann um 19 Uhr los. Nach einer halben Stunde wurde Nico quengelig, er wollte nicht mehr und vermutlich spürte er meine Unruhe.
Es war eine Elends lange Fahrt. Mit dem Fahrer konnte ich nicht reden, das Radio ging nicht und es wurde dunkel. Mir kam das wie eine Ewigkeit vor. Und die tristen und halbverfallenen Häuser und die riesigen Betonblock Siedlungen die auch nicht besser aussahen, heben die Laune auch nicht wirklich.
Die Straßen sind Fürchterlich! Menschen gehen mit ihren Kühen auf der Autobahn spazieren, Fußgänger sind auch unterwegs, und das immer schwarz angezogen, das man sie im letzten Augenblick entdeckt – und Radfahrer haben prinzipiell kein Licht, im besten Fall haben sie einen schmutzigen Reflektor. Im schlimmsten nichtmal das! Kann mir einer erklären, was die überhaupt auf der „Autobahn“ machen??? Achja, die Pferdefuhrwerke habe ich noch vergessen zu erwähnen, die waren nämlich auch unterwegs.
Nico war inzischen nur noch am weinen. Er war müde, ko und wollte nicht mehr. Verzweifelt kämpfte er mit dem Schlaf. Und ich begann mit den Tränen zu Kämpfen – warum habe ich meinem Kind DAS nur angetan?! Irgendwann schlief Nico völlig erschöpft ein.
Endlich, kurz vor 20:45 kamen wir beim REHA-Zentrum an und mir fiel ein Stein vom Herzen.
Der Fahrer lud unser Gepäck aus, und dackelte mit mir zur Rezeption. Dort bekam ich sofort den Kartenschlüssel von unserem Zimmer – ich wollte nur noch eines, Schlafen!
Als ich mich umdrehte, stand unser Gepäck vor meiner Nase – aber der Fahrer war verschwunden! Na toll.
Also machte ich mich mit Nico im REHA-Buggy, einem riesen Koffer im Schlepptau, unserem Rucksack und Gürteltasche auf den Weg zum Fahrstuhl und fuhr in den zweiten Stock.
Doch wo war unserer Zimmer??? Am Eingang eines langen Ganges war eine Tafel, Zimmer 220 bis 226 – wir suchten Zimmer 211!!!
Ich drehte um und ging in die andere Richtung und im Rahmen unserer Suche stand ich plötzlich im Speisesaal vor der Küche.
Da kam ein Mann und fragte mich etwas auf Ukrainisch. Deutsch??? Fehlanzeige!
Ich zeigte im den Kartenschlüssel mit der Zimmernummer und er zeigte in Richtung des Ganges, wo ich hergekommen war. Moral von der Geschichte: die hatten vergessen noch eine Tafel anzubringen - mit den Zimmer Nummern, denn die Zahlen waren Therapie-Räume.
Endlich fand ich unser Zimmer, als ich die Technik mit der Karte rausgefunden hatte kam die nächste Überraschung. Wo war das Gitterbett für Nico, um welches ich in einer Mail gebeten hatte???
Also Nico aus dem Buggy rausgezerrt und wieder runter zur Rezeption.
Gitterbett??? Das Wort kannte auch keiner, doch als ich irgendwann mal „Babybett“ sagte, wußte die Dame, was ich wollte.
Sie versprach, dass das Bett gleich gebracht werden würde – wir sollten solange in den Speisesaal etwas essen gehen. Wenigstens hatte ich DEN ja schon gefunden.
Und wir bekamen tatsächlich noch was zu Essen. Als wir zum Zimmer kamen, stand das Gitterbett einsam und verlassen auf dem Gang. Keine Menschenseele war zu sehen. Was jetzt?
Also den erschöpften Zwerg ins Zimmer tragen, auf das große Bett legen (er war zu müde um irgendwas zu machen) und das Bett ins Zimmer zerren und ziehen. Kaum stand das Bett in Position kam die Dame von der Rezeption mit einem Hausmeister. Als der sah, das ich das Bett schon ins Zimmer gebracht hatte, drehte er sofort um und war weg.
Die Dame überzog Nicos Bett, wünschte uns eine gute Nacht und dann war auch sie weg.
Nicos Schnuller hatte die Reise leider nicht überstanden. Zu unserer beider Leidwesen.
Nico war inzwischen leider so aufgedreht, das an Schlaf so schnell nicht zu denken war, und auch die Fremde Umgebung waren nicht gerade förderlich.
Am nächsten Morgen haben wir verschlafen, in der Ukraine ist es eine Stunde später als bei uns und ich hatte vergessen, den Wecker auf dem Handy umzustellen.
Frühstück fiel demnach flach – Nico bekam natürlich sein Morgenfläschchen, aber die Mama ging leer aus. Da rief auch schon die Rezeption an, das man uns gleich die Unterlagen auf das Zimmer bringen würde. Kurz darauf klopfte es, und wie bekamen Nico´s Therapie-Plan (seine Befunde hatte ich gemailt) und ich sollte zwei Zettel zum einchecken ausfüllen und zur Rezeption bringen, was ich auch dann tat.
Dann wurden wir zur zweiten, zur medizinischen Rezeption geschickt – dort musste ich noch einen Zettel ausfüllen. Nicos Daten, zum wievielten mal man zur Therapie hier wäre etc.
Und dann gings schon zur Massage, Reflexo-Therapie, Akkupressur, Bienenwachs und zum deblockieren. Nicos schrie die ganze Zeit wie am Spieß und ich weiß nicht, wer danach mehr fertig war. Nico, die Masseurin, die Ärztin oder ich.
Da deblockieren war grausam, die Knacken geht mir immer durch und durch, und in den ganzen zwei Wochen musste ich mich wegdrehen. Ich konnte da nicht hinsehen. Und Nico brüllte und schrie um sein Leben.
Dann gings zur Physio Therapie. Therapie fand am ersten Tag noch keine statt. Da wird ein Video gemacht, was die Kinder können, wie sich sich bewegen usw. Vor der Abreise sollte noch ein Vergleichsvideo gemacht werden.
Dann waren wir für diesen Tag fertig.
Das Wetter war die ganzen 14 Tage gleich – bis auf einen Tag war es bewölkt, windig, regnerisch und bitter, bitter kalt. Das Schlimmste war der schneidende Wind, welche wohl aus Sibirien kommen musste.
Das Essen war ganz OK, doch Nico hat sich in der Ukraine nur von Kuchen und Keksen und am Abend von mitgenommenen Breien ernährt.
Am nächsten Tag hatten die Therapeuten eigentlich frei, aber Nico bekam am Abend trotzdem Therapie, von 19 bis 21 Uhr. Für Nico fürchterlich, denn das war eigentlich ja schon seine Schlafenszeit. Dementsprechend war auch seine Laune, und die Masseurin musste noch einen gewaltigeren Geräuschpegel ertragen als am Tag zuvor.
Bei der Krankengymastik schrie Nico dann noch lauter – das er das noch schaffte war mir ein Rätsel.
Doch plötzlich traute ich meinen Augen nicht, dachte ich bin im falschen Film. Was ich da sah, konnte nicht Wirklichkeit sein!
Nico stand, aufrecht und aus eigener Kraft! Er kam in den Vierfüssler- Stand, versuchte auch tatsächlich zu krabbeln, und plötzlich saß er auch noch im Schneidersitz und im Langsitz – was er mit einem lauten Prostetschrei quittierte – weil es ihm mit seiner Spastik in den Oberschenkeln ohne Zweifel Schmerzen bereitete.
Mir schossen die Tränen in die Augen, ich heulte wie ein Schlosshund – vor Freude und vor Glück! Wie hatte die Therapuetin das nur geschafft???
Nathalia lachte nur und sagte : He Kleiner, schau wie du kannst!“
Natürlich war mir klar, das ich nicht mit einem Kind nach Hause fahren würde, das über Nacht laufen gelernt hat. Davon sind wir noch Meilenweit entfernt. Aber das er das alles geschafft hatte, war ein Wunder! Da wußte ich wieder, Nico wird mal laufen.
So vergingen die Tagen und Prof. Kozijavikin erklärte mir, die Sitzschale muß weg!!!
Ich war skeptisch. Ich bekam die Anweisung, Nico nicht mehr so stabil in die Sitzschale zu schnallen. Ich sollte die Riemen jeden Tag lockerer machen und schließlich ganz weglassen.
Ich befolgte das, und es klappte tatsächlich.
Und so nahm ich am vierten Therapietag meinen ganzen Mut zusammen, und setzte Nico – bevor wir zum Frühstück gingen – OHNE Sitzschale in den Buggy. Fixierte ihn nur mit dem lockeren Bauchgurt, welcher an dem Buggy montiert ist.
Mit mulmigen Gefühl sind wir dann so zum Frühstück. Ich war immer auf dem Sprung, falls Nico sich nach unten durchrutschen lassen würde, um ihn auf zu fangen.
Doch Nico saß im Buggy!!! Und das vier Stunden. Dann ging ihm die Kraft aus und er ließ sich nur noch hängen. Aber für mich war das unbegreiflich – einfach ein Wunder.
So steigerte sich das von Tag zu Tag, und schließlich saß Nico den ganzen Tag so im Buggy, auch bei Spaziergängen nach Truskavetz zum Markt!.
Vor dem freien Sitzen hat Nico noch Angst – er könnte es zwar und ich bin sicher das er, wenn er genug Übung und Selbstbewusstsein hat, sitzen wird.
Der „richtige“ Entwicklungs und Fortschritt-schub soll ja zu Hause kommen, mal sehen was noch kommt.
Nicos Erfolge bisher : wieder eine bedeutend bessere Kopfkontrolle,
eine stark verringerte Spastik in den Oberschenkeln (die aber wieder schlimmer werden wird, das hat man mir gleich gesagt, das ist ok)
vermindertes Schwitzen
er versucht sich über den Seitstütz aufzusetzen,
er versucht sich an den Stäben von Gitterbett hochzuziehen,
er routiert im Schlaf weniger im Bett herrum,
er Greift gezielter und bewusster,
er lautiert neue Silben,
er hat ein besseres Körpergefühl, eine bessere Körperkontorolle und eine ganz andere, Körperspannung,
er quält sich bei dem Stuhldrang deutlich weniger – keine Schreiorgien mehr dabei.
Es hat sich auf jeden Fall was getan, das sagen auch alle die Nico nun gesehen haben.
Nicos sitzt nun im normalen Sitzwagen, herrlich für den Winter, denn da kann ich das Lammfell hinein tun.
Er fühlt sich wohl und ich unheimlich stolz – und ich bin es auch. Die Therapie war für ihn harte Arbeit, und nach der Therapie wollte er jeden Tag nur eines : in sein Bett und drei Stunden schlafen. Was ich gerne zugelassen habe.
Die Heimreise war ein ähnliches Desaster wir die hinreise. Das schönste war, als wir nach dem ganzen Prozedere im Flugzeug saßen, auf das Rollfeld fuhren und dann gestartet sind.
Wir werden wenn wir es irgendwie schaffen, nächstes Jahr wieder fliegen.
Ich muß zugeben, ich bin auch ein wenig auf mich stolz, das ich nicht gekniffen habe.
Ich war mit Nico ganz alleine in der Ukraine, ein Schub fürs Selbstbewusstsein.

Liebe Grüße
Birgit

 
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