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Geschrieben von Hase67 am 28.10.2019, 11:10 Uhr

Ein Viertel der Thüringer wählen einen Nazi, den man per Gesetz Faschist nennen

Ich glaube nicht, dass das "plötzlich" ist. Auch in der ehemaligen DDR war Rassismus und Ausländerfeindlichkeit nicht selten. Die vietnamesischen Gastarbeiter, die in den 80er Jahren ins Land geholt wurden, hatten mit mindestens genauso vielen Vorurteilen zu kämpfen wie italienische, spanische, portugiesische und türkische Gastarbeiter in Westdeutschland, aber ihre Integration wurde im Gegensatz zu hier systematisch verhindert. Es war klar, dass sie nicht bleiben sollten, Frauen die schwanger wurden, mussten abtreiben oder wurden abgeschoben. Sie waren eben billige Arbeitskräfte. Nach dem Zusammenbruch der DDR gab es auch gegen sie ausländerfeindliche Übergriffe.

Und mal abgesehen davon darf man nicht vergessen, dass es in der ehemaligen DDR noch weniger Aufarbeitung der Nazizeit gab als hier. Während hier ehemaliges Nazipersonal im Staatsdienst mitgeschleppt wurde (weil man einfach nicht genug Alternativen hatte, so zumindest die pragmatische Variante), wurde dort einfach die Nazi-Ideologie durch eine sozialistische ersetzt. Eine Diktatur blieb es aber. Daraus resultiert meines Erachtens dieses allgemeine Misstrauen in den Staat und seine Organe und das Gefühl, es gäbe "Denkverbote". Was früher im engeren Kreis der Familie und der Bekannten gesagt wurde, wird heute in den Filterblasengruppen der sozialen Medien verbreitet, und so fühlt man sich bestärkt, weil man mehr "Öffentlichkeit" bekommt. Dass Hetzparolen, die im privaten Raum nicht geahndet werden, weil es keiner mitbekommt, auf Plattformen wie Facebook oder in der Öffentlichkeit teilweise strafrechtlich relevant werden, kommt für viele einem "Denkverbot" gleich. Weil sie es eben gewöhnt sind, so zu denken. Dass das aber noch nie in Übereinstimmung mit den Grundwerten der deutschen Verfassung war, interessiert keinen.

Ich glaube auch, dass die emotionale Bindung an Deutschland nicht wirklich groß ist, erst recht nicht bei denen, die beim Mauerfall noch Kinder oder junge Leute waren. Denn deren Eltern haben einen Großteil ihrer Lebenszeit in der DDR verbracht und durch die Wende oft viel verloren oder mussten sich unter großer Kraftanstrengung neu orientieren. Letztendlich ist das ein ähnliches Heimatlosigkeitsproblem, wie wir es teilweise in der zweiten Migrantengeneration erleben. Man steht irgendwie dazwischen und gehört nirgends so richtig dazu. Extremisten haben dann leichtes Spiel, sich auf so ein Entwurzelungsgefühl draufzusetzen. Das ist genau das, was die AfD erkannt hat. Und sie weiß auch um die deutlichen rassistischen und fremdenfeindlichen Tendenzen und relativiert sie lieber, statt sich davon abzugrenzen. Die Gefährlichkeit liegt aber, wie gestern bei Anne Will ein Rechtsextremismusforscher gut erklärt hat, nicht "nur" im gemeinsamen Feindbild des Migranten oder des Islams. Sondern in der grundlegenden Denkstruktur, sich zu einer Gruppe zusammenzurotten, die gegen andere gesellschaftliche Gruppierungen kämpfen muss. Statt mehrere soziale Gruppen nebeneinander zu tolerieren und darauf hinzuwirken, dass ein Miteinander möglich ist. Das ist ein überholtes Denkmodell, das jetzt leider dank reaktionärer Staatschefs in allen möglichen Ländern wieder aus der Mottenkiste hervorgeholt und von ihnen als "Wir müssen wieder wer sein in der Welt" verkauft wird. An der Stelle schließt sich übrigens auch teilweise der Kreis zur "Linken", die diese Abgrenzung gegen andere als "Globalisierungskritik" verkauft.

 
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