Rund um die Erziehung

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Geschrieben von AyLe am 27.07.2007, 22:55 Uhr

Wen's interessiert: Alter Ego: Rousseau oder NE?!

Alter Ego: Rousseau

Hallo, Feelix; Hallo solelo; auch ein herzliches Tach allen anderen…

Wie viele Beiträge ich tatsächlich gelesen und von den Gelesenen ich zu Ende verfolgt habe, darüber fehlt mir der Überblick. Doch so langsam kristallisieren sich einige Grunderkenntnisse meinerseits heraus und fügen sich zu einem Mosaikteppich zusammen, an dessen Vollendung allerdings jeder Beitrag sein übriges tut. Jedermanns Lesart mag variabel sein, für mich ergaben sich die folgenden Gewinne an Erkenntnis (persönliche Grüße an Feelix: sag mal, bist Du Maybrit Illner Fan?!)

 Die Aggressivität (einiger Schreiberinnen gegenüber den Beiträgen der NEs) entsteht weder durch das Thema, noch durch die Schreiberinnen. Das Agressionsmuster nimmt mit zunehmender Renitenz und (Über)Länge der Beiträge zu. Dem Mantra und der Liturgie der Überzeugten und Bekehrten haftet eine nahezu religiöse Spiritualität an. So sehr auch die Überzeugten mit stoischer Ruhe und Vehemenz auf ihre Diesseitigkeit pochen und jede religiöse Attitude weit von sich weisen, lässt sich nicht eine gewisse der katholischen Kirche in ihrem Weihrauchdunst ähnliche sakrosankte Liebe zum Objekt Kind verleugnen.
Nun ist auch die Liturgie und die Litanei der katholischen Kirche (ich hebe diese besonders hervor, weil die evangelische Kirche gerade in diesem Zusammenhang ihre Unterschiede hat) ein großes Brimborium um ein und denselben Kern. Gott wird hier nicht zum zweiten Mal in Menschengestalt geboren, er stirbt und aufersteht nicht realiter erneut. Doch, es badet sich öffentlich so schön in vielerlei Wort und die Wortsalbung dient der Sache. Und die wäre, viel Wort um Nichts…. Der Lärm, der mit den vielen Worten sprichwörtlich über mich hereinbricht, erzeugt bei mir zweierlei Gefühl:
 zum einen: „die“ und „nicht-die“ damit geht einher das schale Gefühl bekehrt werden zu sollen. Und trotz sämtlicher gegenteiliger Beschwörungsformeln und unterstellter Paranoia meinerseits: das Gefühl ist existent.
 zum anderen: wer so viel schreibt, um einen, an sich doch so evidenten, einen jeden schon nahezu mit dem Zaun, wenn nicht sogar mit dem Eifelturm erschlagenden Sachverhalt zu verdeutlichen, erzielt bei mir genau das Gegenteil des Gewünschten: wer viele Worte macht, braucht die Worte, um die Sache groß zu machen. Was eindeutig ist, als Naturgesetz (um bei Rousseau zu bleiben) unumstößlich ist, braucht nicht die Überlänge der Titanic in Schriftform. Das Schiff ging unter oder noch kürzer: blubb, blubb, blubb.

Zäsur: Warum ich dann so viel Worte brauche?! Ich wollte auf Augenhöhe antworten…. Und so zeigen, dass ich die Angelegenheit Ernst nehmen…


 Menschenbilder sind historisch zu jeder Zeit thematisiert worden. Die Anthropologie fing nicht erst bei den Griechen an und endete bei weitem nicht mit Rousseau. Zum genauen Verständnis über die Postulate der Erziehungsmethode Nichterziehung sollte bekannt sein, dass es eine Epoche gab, in der alles an der Natur hing und zur Natur drängte. Der Naturzustand war die eigentliche Vollkommenheit, der Mensch war schon und erst wieder in diesem Zustand der, der er sein sollte. Das vorschreibende Moment erscheint jedoch paradox, da niemand genau definieren, festlegen kann, was der Naturzustand ist…. Ist damit ein genereller gemeint oder muss dieser noch individuell festgelegt werden? Wenn er einzelpersönlich bestimmt werden muss, so bleibt die Frage, von wem?! Rousseau hat mit „Emile“ eine Phantasiefigur erschaffen – ein Gedankenexperiment vollzogen, das eben nicht an der Krux des Beobachters und Experimenteurs leidet. Nämlich, dass mit der Beobachtung der Beobachtende oder Leitende Teil des Experiments wird und Wechselwirkungen nicht ausgeschlossen werden können… (bin ich so, weil Du da bist und wäre ich andernfalls anders? Oder denke ich das hier gerade, weil Du da bist und wäre andernfalls genau so, wie ich jetzt gerade bin?!)
Die Ausgangsidee, der Mensch sei sui generis (also von Geburt an) gut, ist ein Gegenmodell zu Hobbes, der sagte, der Mensch sei schlecht. Man sollte sich aber hüten, die beiden Philosphen aus ihrer Zeit und persönlichen Geschichte zu reißen. Während erstgenannter in gesicherter Position seine Ideen zu Papier bringen konnte, schlugen sich in den philosophischen Gedanken des Letzteren Kriegserlebnisse nieder. Nur, wenn die Hintergründe bekannt sind, kann ein Bild komplett werden, ansonsten bleibt es fragmentarisch und willkürlich.

Rousseau hat den „guten Menschen“ ausgerufen, Hobbes den „schlechten“. Der aktuelle Stand der Forschung in Biologie, seit einigen Jahren auch Neuro-Biologie und Philosphie ist seit Kants Kritik der reinen Vernunft jener, dass der Mensch als solcher zunächst primitiv ist. Sein Überleben zu sichern gilt als Leitidee, das hat er tatsächlich mit dem Naturzustand aller Wesen gemein. So lassen sich Kindchenschema und mütterliche Instinkte auf den Naturzustand zurückführen. Das Kind ist also mit dem Willen ausgestattet zu überleben. Daher die Anpassungsfähigkeit, die die Gut-Menschen als Kooperationswillen deuten – auch eine Lesart. Wenn der Mensch als solcher gut ist, dann stellt diese Hypothese eine Bestätigung der (Prä)Determinationstheorie in der Psychologie dar. Wir sind demnach nicht in der Lage selbst zu bestimmen, sondern sind festgelegt durch unsere Gene, unsere Archetypen… Also, nichts mit Nichterziehung oder Erziehung, was gut ist, bestimmen die Gene. Da die Verteilung von Erbanlagen aber nicht der Gleichberechtigungsthese folgt, haben wir ein recht gravierendes Problem, oder?!


Ich werde hier unterbrechen, um ein anderes Mal fortzufahren. Mir liegt eine Menge daran, dass die Behauptungen nicht im luftleeren Raum stehen bleiben, sondern mit Wissen unterlegt sind. Ich möchte wissen, aus welcher Richtung der Wind weht – ungeachtet dessen, ob ich dann hart im Wind stehe oder aber mein Fähnchen mit ihm hänge.

In diesem Sinne,
Moin von der Küste

AyLe

 
10 Antworten:

für mich: weder noch

Antwort von kitty.kez am 27.07.2007, 23:36 Uhr

"Also, nichts mit Nichterziehung oder Erziehung, was gut ist, bestimmen die Gene. Da die Verteilung von Erbanlagen aber nicht der Gleichberechtigungsthese folgt, haben wir ein recht gravierendes Problem, oder?!"

Sehr eindrucksvoll geschrieben.

Ich finde aber, es sind die Erziehungsmethoden, die nicht der Gleichberechtigungsthese folgen...

Wie ich später "drauf" bin, hängt nicht nur von den Erbanlagen ab, sondern auch von der Umwelt.

Ich bin der Meinung, daß der Mensch weder gut noch schlecht geboren wird. Sondern vielfältig! Und Verhalten ist von unterschiedlichen Standpunkten "gut" oder "schlecht".

Um es mit Juuls Worten zu sagen: Kinder sind am wertvollsten für das Leben ihrer Eltern, wenn die sie am beschwerlichsten finden!


Kerstin

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@Ayle

Antwort von solelo am 28.07.2007, 1:07 Uhr

Danke Ayle für dein Posting.

Ob der Mensch gut oder quasi neutral (lediglich überleben will) ist für ein gleichberechtigtes Miteinander egal. Beides passt. Was nicht passt, wäre die Annahme, er sei schlecht.

Mit "neutral" kann ich leben bzw. mit "will eh nur überleben" auch durchaus – wobei ich dann jede Handlung/jedes Verhalten, dass quasi "nur" deshalb getan wird, weil es überleben will, für mich schon als "gut" zu bewerten gilt, warum sollte das schlecht sein? Zumal der Mensch ja in diesem Fall eh nichts dafür kann, dass er eben so geboren wird, mit dem Instinkt, überleben zu wollen. Wenn die Mittel moralisch nicht besonders "gute" wären, so nur deshalb, weil der noch unerfahrene Mensch keine anderen kennt oder noch körperlich oder geistig noch nicht fähig ist, diese "besseren" Mittel zu nutzen.

Dass Menschen den Eindruck haben, dass die Gefühle von Liebe, Hilfsbereitschaft, Teilen, Freundschaft etc. "gut" sind und dass Gefühle des Hasses, Feindschaft, Egoismus etc "schlecht" sind – meinst du diese Eindrücke sind ... anerzogen? Ich frage dich ehrlich: Hast du das Gefühl bzw. weißt du, dass/ob diese "Bewertung" (nicht durch den Verstand, ich meine vom Gefühl her), erst anerzogen/antrainiert wird? Oder ist es eher etwas, was jeder Mensch "spüren" kann, dass sich z.B. das Kuscheln und geborgen sein bei Mama "gut" anfühlt, dass dir aber jemand was wegnimmt, dein Haus anzündet oder sonst was, "schlecht"?

Ich finde, dass Babys schreien, wenn sie getrennt werden, nichts zu essen bekommen etc., aber ruhig sind in Mamas Liebe, zeugt eher davon, dass diese Bewertung von Gut und Schlecht bei Geburt mitgeliefert wird... oder, was meinst du?

Grüße,
Johanna

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Re: @Ayle

Antwort von +emfut+ am 28.07.2007, 9:47 Uhr

Die Psychotherapie basiert auf der Annahme, das Gefühle niemals GUT oder SCHLECHT sind. Taten sind gut oder schlecht, Gefühle sind da.

Aber wenn ich Rosseau und Konsorten richtig in Erinnerung habe, ging es bei den Bewertungen von gut oder schlecht nicht um Gefühle oder Taten, sondern um Eigenschaften. Und da ist es tatsächlich so, daß die gleiche Eigenschaft gut oder schlecht sein kann - je nach Betrachter.

Mal als Beispiel: Ein Kind ist ehrgeizig. Das kann ich schlecht finden, wenn ich Ehrgeiz mit "Ellenbogenmentalität" gleichsetze. Wenn ich aber Ehrgeiz mit Zielstrebigkeit gleichsetze, finde ich das gut. Ob Ehrgeiz also gut oder schlecht ist, liegt im Auge des Betrachters, und das wiederum hängt stark von der Umgebung, dem Umfeld, der Gesellschaft ab.

Egal, ob gut oder schlecht von Anfang an: Es geht nicht um Taten (so ein Baby hat ja noch nix getan) oder um Gefühle (die per Definitionem niemals gut oder schlecht sind) sondern um Eigenschaften.

Und nur, weil ich sowieso gerade schreibe und es mir seit gesten im Kopf herumspukt: Das christliche Weltbild sagt keineswegs, daß der Mensch schlecht ist von Anfang an. Denn der Mensch ist geschaffen nach Gottes Ebenbild, und Gott ist gut, also ist der Mensch auch gut von Anfang an. Die Erbsünde bezeichnet im Grunde die MÖGLICHKEIT des Menschen, sich gegen Gott und damit für das Schlechte zu entscheiden. Vor der Erbsünde hatte der Mensch diese Möglichkeit nicht. Das heißt: Vor der Erbsünde war der Mensch immer gut, aber er war auch nicht frei in seinen Entscheidungen.

Und da kommt dann etwas, was für mich SEHR wichtig ist: Ich glaube an die Entscheidungsfreiheit des Menschen. In der Diskussion um Nature vs. Nurture (Gene gegen Erziehung) gehen beide Seiten von einer Art Determination aus. Die Christen gehen gemeinhin davon aus, daß über diese beiden Determinationsfaktoren (deren Gewichtung je nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand schwankt) noch eine weitere Ebene existiert: Die freie Entscheidung. Daß also der Mensch grundsätzlich in der Lage ist, sich unabhängig von Genen und Erziehung für oder gegen etwas (eine Tat, eine Überzeugung) zu entscheiden.

Gruß,
Elisabeth.

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Re: @Ayle

Antwort von solelo am 28.07.2007, 13:35 Uhr

Hallo Elizabeth,

du schreibst,
***Und da ist es tatsächlich so, daß die gleiche Eigenschaft gut oder schlecht sein kann - je nach Betrachter.***

Genau! Und daher ist es sowieso immer nur wichtig, wie gut oder schlecht man sich bei irgendeiner Sache *fühlt*.

Und ich bezweifle einfach, dass unser "Gefühlssystem" quasi erst antrainiert werden werden muss um zu "wissen", was gut oder schlecht ist (sich gut oder schlecht anfühlt). Ich glaube, es gibt so Dinge, die sich bei jedem "gut" und bei jedem "schlecht" anfühlen (jedenfalls sofern dieses Gefühlsystem nicht durch irgendwas massiv gestört worden ist). Und diese Dinge decken sich nicht durch Zufall mit den gängigen Wertvorstellungen, und diese sind auch nicht zufällig in den meisten Religionen und Lebensphilosophien total ähnlich wenn nicht sogar deckungsgleich.

Liebe fühlt sich für jeden *gut* an. Hass fühlt sich für jeden *schlecht* an. Freundschaft fühlt sich immer *gut* an. Feindschaft immer *schlecht*. "Gutes Tun" (z.B. jemandem eine Freude zu machen) fühlt sich immer *gut* an, "schlechtes Tun" fühlt sich *schlecht* an. Manipulieren fühlt sich nie richtig *gut* an, Ehrlichkeit fühlt sich eher *gut* an.

ABER dieses Gefühlssystem wird meiner Meinung nach durch Erziehung gestört: Wenn ich *gezwungen* werde, anderen eine Freude zu machen (und sei dies nur, sich zu bedanken), dann fühlt sich das plötzlich *schlecht* an. Wenn ich für Ehrlichkeit bestraft werde "Was? Du hast heimlich Süßigkeiten gegessen?" fühlt sich das nicht gut an. Ich kriege das Gefühl, dass es besser ist (es wird sich besser *anfühlen*, wenn ich unehrlich bin. Die *Heimlichkeit* dich sie ja *nicht gut* angefühlt hatte, weswegen ich ja auch *ehrlich* sein wollte, fühlt sich dann wenigstens besser an, weil ich dann nicht *bestraft* werden, was sich noch schlechter angefühlt hat. Aber *eigentlich* hatte ich Ehrlichkeit gewählt, weil sich das gut angefühlt hat und schlecht, es jemandem zu verheimlichen. Dieses "System" wurde dann durch Erziehung – vermeintlich um mich "ehrlich" zu machen!!!! – massiv gestört! Wenn auf meine Bedürfnisse nicht geachtet wird, kann es sich *gut* oder wenigstens *richtig* (gerechtfertigt?) anfühlen, durch etwas "schlechtes" auf sich Aufmerksam zu machen (schreien, hauen). Wenn Eltern ständig sagen, dass die Gefühle der Kinder nicht in Ordnung seien (Nun wein doch nicht, Nun hab dich nicht, Nun stell dich nicht so an, Da braucht man gar nicht sauer sein/weinen, Hör auf zu weinen, Das ist nicht lustig, Lach nicht, Wieso bist du nicht glücklich, Du solltest froh sein etc.), wird das Gefühlssystem, dass schon eigentlich überwiegend mit der Moral übereinstimmt, die man eh vermitteln wollte, total durcheinander gebracht.

Die paar Feinheiten, die kulturell bedingt sind und vielleicht nicht schon im Gefühlssystem integriert sind, wird das Kind schon mitbekommen und lernen *wollen*, weil es sich – um zu überleben, und zwar möglichst unversehrt und in der Gesellschaft anerkannt – der Gesellschaft anpassen *will*. Nicht aber, wenn es sich in der Gesellschaft so unwohl fühlt, weil es ständig bestraft wird, dass es sich am liebsten einfach von der Gesellschaft abwendet. Ich rede hier übrigens vom Extremfall. Dass erziehende Eltern nicht immer und ständig ihren Kindern die Gefühle absprechen oder sie ständig bestrafen ist mir natürlich bewusst. Trotzdem bin ich auch gegen kleinere "Eingriffe" :-)

Grüße
Johanna

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Re: @Ayle

Antwort von +emfut+ am 28.07.2007, 14:02 Uhr

Nein.

Gefühle sind nicht gut oder schlecht. Das schrieb ich doch. Gefühle sind da.

Und da kommt noch etwas anderes aus der Psychologie für mich zum Tragen:
Man ist nicht "Schuld" an den Gefühlen eines anderen Menschen.

Weißt Du, was ich für die grausamste, absolut unmöglichste Erziehungsmethode überhaupt halte: "Kind, mach dasunddas nicht, dann ist Mama traurig!" Da werden MEINE Gefühle als Mutter dem KIND zum Tragen gegeben. Emotionale Erpressung.

Aber umgekehrt geht auch nicht. Warum soll ich mich von meinem Kind emotional erpressen lassen? "Mama, gib mir die Schokolade, sonst bin ich traurig!" Geht nicht, geht gar nicht!

Gefühle sind nicht gut oder schlecht. Auch Wut, Trauer, Enttäuschung sind gute Gefühle. Sie fühlen sich vielleicht nicht gut an, aber sie sind gut, weil sie mich weiterbringen, weil sie mir etwas sagen über die Welt und/oder über die Menschen, die darim leben. Eine gute - soll ich das Wort sagen? - Erziehung vermeidet diese Gefühle nicht, sondern sie zeigt dem Kind, mit diesen "sich schlecht anfühlenden" Gefühlen positiv umzugehen.

Gefühle sind nicht schlecht. Punktum.

Wenn ich Kälte fühle, dann, weil es kalt ist. Das Gefühl der Kälte fühlt sich schlecht an, aber es ist wichtig, daß ich es fühle, sonst ziehe ich mir keine Jacke an.
DAS bringe ich meinen Kindern bei: "Wenn Du Wut fühlst, dann fühlt sich das zwar schlecht an, aber es ist wichtig, daß Du die Wut fühlst! Denn es gibt einen Grund für die Wut. Und jetzt finde den Grund für die Wut, frage Dich, warum Du Dich so fühlst, und wie man damit umgeht. Wenn Dir nix einfällt, helfe ich Dir dabei." Und hin und wieder muß ich als Mutter diese Wut, oder auch Enttäuschung oder Trauer beim Kind einfach aushalten. Das sind für mich die schwersten, aber auch die wichtigsten und reichsten Momente mit meinen Kindern. Ich persönlich habe im Zug meiner Scheidung ein paar solcher Momente mit meinen Kindern erlebt, und für mich gehören diese Momente des gemeinsamen Trauerns, der gemeinsam getragenen Wut und Enttäuschung, zu den innigsten Momenten, die ich mit meinen Kindern jemals erlebt habe. So wütend (sic!) ich auf meinen Exmann bin, daß er die Kinder zum Erleben dieser Momente gezwungen hat, so froh bin ich, daß meine Kinder aus diesen Momenten gestärkt und selbst-sicherer (ihrer Selbst und ihrer Gefühle sicherer) herausgekommen sind.

Ist NE tatsächlich eine Übung im Vermeiden von schlechten Gefühlen?

Gruß,
Elisabeth.

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Re: @Ayle

Antwort von solelo am 28.07.2007, 14:29 Uhr

Hallo Elisabeth!

Ich stimme mit dir 100% überein. Ich denke ganz genauso.

Wenn ich gesagt habe "gute Gefühle" und "schlechte Gefühle" habe icht nicht eine Bewertung der Gefühle gemeint, sondern einzig und allein, wie sie sich "anfühlen". Du hast das auch zum Ausdruck gebracht:

"Gefühle sind nicht gut oder schlecht. Auch Wut, Trauer, Enttäuschung sind gute Gefühle. Sie fühlen sich vielleicht nicht gut an, aber..."

Genau das meine ich auch. Sie sind nicht gut/schlecht zu *bewerten*, aber sie können sich "gut" oder "schlecht" *anfühlen*.

Das ist alles, was ich sagen wollte.

Und insofern stimmt es nicht, dass es in gleichberechtigten E-K-Beziehungen darum geht, "schlechte" Gefühle zu vermeiden. Es geht bezüglich der Gefühle darum, zu vermeiden, dass das Gefühlssystem *durcheinander kommt*.

Eben genau aus dem Grund, den du benennst, es ist *wichtig* dass das Kind Wut/Trauer/Freude/Liebe... fühlt, sie erkennen lernt, damit umgehen lernt, weiß, woher sie kommt etc. Es ist sogar "gut" (das war deine *Bewertung* übrigens ;-) Zitat: " ...aber sie sind gut, weil sie mich weiterbringen,...", also sind Gefühle nach deiner Auffassung nicht doch nur "da" sondern auch "gut", egal wie sie sich *anfühlen*).

Dieses Gefühlssystem kann durch Erziehung durcheinander gebracht werden.

Grüße
Johanna

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Re: @Ayle

Antwort von +emfut+ am 28.07.2007, 15:07 Uhr

Das ist Quatsch.

In keinem gängigen Erziehungsmodell steht: "Gefühle sind zu verbieten!" oder "Gefühle sind zu verändern!".

Ich erziehe, bin würde mich sogar als streng bezeichnen. Trotzdem respektiere ich die Gefühle meiner Kinder, und ich kenne kein theoretsches Erziehungskonzept, welches das nicht vorsieht.

Ich ertrage es halt, wenn Fumi mich mal wieder als "die gemeinste Mama der Welt" bezeichnet. Sie hat in dem Moment das Gefühl, daß es so ist. Trotzdem ist sie nicht gleichberechtigt. Wenn ich sage, daß sie um 20:00 Uhr im Bett zu sein hat, dann darf sie gerne darüber wahlweise wütend, traurig oder enttäuscht sein. Das respektiere ich. Aber ich ändere deswegen nicht meine Regel. Das betrachte ich dann als Übung für sie, mit dem "sich schlecht anfühlenden" Gefühl umzugehen.

Gruß,
Elisabeth.

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Re: @Ayle

Antwort von solelo am 28.07.2007, 16:06 Uhr

Das ist ja schon Mal gut. Ich habe nicht behauptet, dass jedes Erziehungsmodell den Kindern alle ihre Gefühle abspricht. Viele Eltern machen es trotzdem und nennen es Erziehung. Sehr viele Erzieherinnen in Kindergärten machen das auch – ich kenne keine einzige, die das nicht macht und ich arbeite schon seit Jahren in Kindergärten. Ich habe gesagt, Erziehung *kann* das Gefühlssystem der Kinder durcheinander bringen.

Die Beispiele die ich gegeben habe, sind eine Sache. Wenn du das nicht machst, ist das schon Mal ein enormer Unterschied zum üblichen diskriminierenden Umgang mit Kindern.

Ich meine aber, dass Erziehung an sich, also der Anspruch, z.B. besser zu wissen, als das Kind, wann es müde ist, schon die Gefühlswelt der Kinder misachtet. Ich behaupte, dass Kinder so was sehr gut selbst wissen, und – mal ganz generell gesehen, sie wissen auch, dass Gleichberechtigung "richtig" ist und Ungleichberechtigung "nicht richtig" ist.

Wenn ihnen 20 Jahre lang das Gegenteil vorgelebt wird, wird ihre Gefühlswelt durcheinander gebracht, denn nach einer Weile fangen sie an, (zumindest Teile ihrer) Gefühlswelt anzuzweifeln, egal ob du andere Gefühle der Wut, Trauer etc. oder sogar die Wut DARÜBER, dass sie ungleichberechtigt behandelt werden, respektiert hast.

Was du nicht respektiert hast, ist deren Gefühl, dass Gleichberechtigung sich "gut" anfühlt und deshalb auch in der Familie gelten müsste. Nicht umsonst fühlen Kinder, dass ihre Eltern "gemein" sind. Sie haben schon ganz richtig erkannt, dass es nicht in Ordnung ist, Schwächere herumzukommandieren (Ab ins Bett!).

Auch respektierst du nicht ihr Müdigkeitsgefühl, wenn du sie ins Bett schickst, wenn DU meinst, dass sie müde sind. Sie erhalten außerdem nicht die Chance, selbst zu erfahren, wann sie müde werden und was für Signale ihr Körper gibt. Und obgleich sie zu anfangs protestieren, müssen sie über lange Sicht ihre Müdigkeitsgefühle anzweifeln (Und wenn sie doch recht hat, und ich echt unfähig bin, zu erkennen, wann ich müde bin? Wahrscheinlich hat sie recht, sonst würde sie es nicht machen. Es ist "gut", dass andere Menschen meinen Alltag kontrollieren. Ich kann es wohl nicht selbst, ich bin zu inkompetent...) (überspitzt, extreme Fälle hier - vielelicht schickst du deine Kinder nur ins Bett, weil du deine Ruhe haben willst, wobei ich auch denke, dass das anders und gleichberechigt lösbar wäre.)


Genauso fangen Kinder (und Erwachsene!) in Gewaltbeziehungen an zu glauben, dass sie es "verdient hätten", dass derjenige "wahrscheinlich Recht hat", der sich das Recht herausnimmt, das eigene Kind oder die eigene Ehefrau zu schlagen. Sie zweifeln an ihrem eigentlich richtigen Gefühl, dass Schlagen nicht in Ordnung ist. Sie fangen an, sich einzureden, dass es OK/Normal, sogar gerechtfertigt oder "gut" ist – und das eigentlich nur, um es besser ertragen zu können.

Und wenn ich jahrelang ungleichberechtigt behandelt werde, fange ich an, an meinem Gefühl, dass das eigentlich nicht in Ordnung sein kann, zu zweifeln, bis ich es komplett annehme und dann sogar meine Kinder ungleichberechtigt behandle.

Deshalb bringen nicht nur einzelne Maßnahmen oder Bräuche innerhalb einer Erziehungs-Beziehung die Gefühlswelt der Kinder durcheinander, sondern schon allein die Tatsache, dass erzogen wird bzw. keine Gleichberechtigung in der Familie statt findet.

Das "sich schlecht anfühlende" Gefühl, das sich durch Ungleichberechtigung einstellt und welches sich meiner Meinung nach mit dem "als gut bewerteten" Ideal der Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft deckt, wird "überschrieben" durch die stattfindende angebliche Selbstverständlichkeit, mit der Gleichberechtigung aus der Familie verbannt wird.

Wenn dann auch noch zusätzlich einzelne Gefühle misachtet werden, kommt's nun wirklich völlig durcheinander.

Grüße
Johanna
www.unerzogen.de

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Re: @Ayle

Antwort von +emfut+ am 28.07.2007, 16:32 Uhr

Zunächst einmal verbitte ich mir dem Vergleich mit körperlicher Mißhandlung.

Zum anderen geht es dann DOCH - im Gegensatz zu dem, was Du oben geschreieben hast - um eine Vermeidung des Sich-Nicht-Gut-Anfühlens. Alles wird mit einem "Gleichberechtigung fühlt sich gut an, also ist sie oberste Maxime" überschrieben - und damit zieht sich der Überlegene aus der Verantwortung raus.

Die Welt ist nicht gleichberechtigt. Ich habe Verantwortung für meine Kinder, meine Kinder haben keine Verantwortung für mich, also ist das Prinzip Gleichberechtigung schon ad absurdum geführt. Mein Chef ist mir auch nicht gleichberechtigt, er hat mehr Verantwortung zu tragen als ich, dafür bekommt er mehr Geld (und den Anschiß, wenn etwas schiefgeht).

Ich vertraue einfach darauf, daß meine Kinder irgendwann merken, daß meine Regeln aus Sorge um ihr Wohlergehen und nicht aus Sadismus aufgestellt sind. Wohl nicht heute oder morgen, aber irgendwann schon.

Lustigerweise ist Fumi zum Beispiel Temi gegenüber viel strenger als ich. Die gleichen Regeln, die sie in seinem Alter "gemein" fand, drückt sie jetzt bei ihm konsequenter durch als ich. Aus Bosheit? Nein, aus Sorge. Also ist - zumindest unbewußt - bei ihr schon angekommen, daß meine Regeln kein Selbstzweck und kein Sadismus sind.

Du widersprichst Dir selber.
Angeblich ist es keine "Feel-Good-Erziehung", aber andererseits geht es doch darum, daß das Kind sich gut fühlt.

Und wenn das schon Nicht-Erziehung genannt wird, dann sollte man sich vielleicht mit anderen Erziehungskonzepten auseinandersetzen und nicht mit dem, was sich im Alltag gemeinhin so einschleicht. KEIN modernes Erziehungskosnzept befürwortet das Mißachten von Kindern und ihren Gefühlen. Nur, weil es vorkommt, heißt das nicht, daß das die Definition von "Erziehen" ist. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß ErzieherInnen in der Berufsschule beigebracht bekommen, Kinder und ihre Gefühle und Bedürfnisse zu mißachten.

Gruß,
Elisabeth.

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Re: @Ayle

Antwort von solelo am 28.07.2007, 16:47 Uhr

Hallo Elisabeth,

**Zum anderen geht es dann DOCH - im Gegensatz zu dem, was Du oben geschreieben hast - um eine Vermeidung des Sich-Nicht-Gut-Anfühlens**

Nein, denn in gleichberechtigten Beziehungen kann sich trotzdem jeder Mal gut; Mal schlecht fühlen.

Erzieherinnen bekommen sogar beigebracht, dass sie das auf keinen Fall dürfen, und es steht so im Gesetz. Aber es ist einfach allgemein anerkannter Konsens, dass man Kinder so behandeln darf oder sogar soll.

Egal, ich wollte nur meinen Standpunkt erklären, du musst ja nicht mit einverstanden sein.

:-)

Grüße
Johanna

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