Nächtliches Weinen- Stündliches Stillen die einzige Lösung ?

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Nächtliches Weinen- Stündliches Stillen die einzige Lösung ?

Guten Tag Frau Welter, Mein Sohn ist 8,5 Monate alt. Er wurde ca. 5,5 Monate voll gestillt, bekommt mittlerweile Beikost und wird noch nach Bedarf gestillt. Tagsüber kommen wir sehr gut klar. Abends essen wir zusammen, dann wird noch ein bisschen gespielt und mein Mann macht ihn bettfertig. Wir lesen noch eine Geschichte und dann schläft er meist beim Stillen ein. Schon seit er ca 4 Monate alt ist laufen unsere Nächte dann folgendermaßen ab: Immer nach 2 Stunden fängt er im Halbschlaf an zu weinen. Ich versuche ihn dann immer zunächst mit Streicheln, Schnuller gehen oder leisen Worten zu beruhigen. Das klappt aber selten, das Weinen wird meistens nur noch schlimmer, sodass ich ihn dann immer Stille, damit er wieder weiterschläft. Aktuell sind die Abstände sogar noch kürzer. Er hat sicher viel zu verarbeiten (die ersten Zähnchen kommen und er lernt täglich so viel Neues..). Ich möchte ihm gerne ganz viel Liebe und Nähe schenken, bin aber auch langsam wirklich erschöpft. Meine Hebamme meinte neulich, er wäre jetzt in einem Alter, wo er nachts keine Milch mehr bräuchte. Es handle sich um eine „schlechte Angewohnheit“, die man ihm sanft antrainieren sollte.. Ich bin verunsichert und weiß nicht, wie wir weitermachen sollen. Woher kommt das regelmäßige Weinen? Ist es wirklich zu viel, ihn jedes Mal zu stillen? Und wie soll ich ihn sonst beruhigen? Vielen Dank im Voraus für Ihre Mühe und generell die Arbeit in diesem Forum!

von JoKo5 am 27.01.2022, 12:27



Antwort auf: Nächtliches Weinen- Stündliches Stillen die einzige Lösung ?

Liebe JoKo5, der immer wieder verbreitete Gedanke, dass ein Baby ab sechs Monaten (oder einer anderen Altersgrenze) nachts nicht mehr aufwachen darf und nachts keine Nahrung mehr braucht entspringt in keinster Weise dem natürlichen Verhalten und den Bedürfnissen eines Babys oder Kleinkindes, sondern er entstammt dem (verständlichen) Wunsch der Erwachsenen, die gerne ihre Nachtruhe hätten. Eine Studie von Jelliffe und Jelliffe ergab, dass Babys im Alter von 10 Monaten mindestens 25 % ihrer Muttermilchaufnahme nachts zu sich nehmen. Das spricht eindeutig dafür, dass Babys auch nach den ersten sechs Monaten nachts noch hungrig sind. Ja, Dein Kind WIRD von ganz alleine länger schlafen und auch irgendwann durchschlafen, wenn Du ihm die Zeit schenkst. Genauso wie Du es beschreibst, machen es Mütter seit Urzeiten mit ihren Babys und es hat noch nie einem Baby geschadet. Seit Jahrtausenden und in unzähligen Kulturen ist es so, dass Mütter ihre Babys in den Schlaf stillen. Das Saugen wirkt beruhigend und nicht umsonst wurden im Laufe der Zeit die verschiedensten Brustattrappen (z.B. Schnuller s.o.) erfunden. Von der Natur ist es nicht vorgesehen, dass ein Baby oder Kleinkind allein ist und alleine einschläft. Nur passt dieses „natürliche" Verhalten des Babys nicht in unsere derzeitige Zeitströmung und damit haben wir ein (von uns selbst produziertes) Problem: Babys wissen nicht, was zur Zeit „Mode" ist und benehmen sich so, wie sie es seit Anbeginn der Menschheit getan haben. Es hat seinen Grund, warum stillende Mütter die besten Einschlafhilfen SIND. Beim Saugen an der Brust findet ein Baby das, was es braucht: Trost, Nahrung, Sicherheit. Es liegt vermutlich an einer gewissen neurologischen Unreife, wenn einige Babys das mehr brauchen als andere, und es "verwächst" sich wirklich von alleine!! Ein Baby muss eine gewisse Reife erreichen, um längere Zeit schlafen zu können. Wann dieser Zeitpunkt erreicht wird, ist von Kind zu Kind unterschiedlich. Auch ich war damals verunsichert und wurde als Glucke und sonstwas bezeichnet ;-). Heute sind meine Kinder meine größten Stützen und ich weiß, dass Achtsamkeit nichts mit Verwöhnen zu tun hat. Ist Dir schon einmal aufgefallen, dass niemand fragt „Wann muss das Kind selbstständig atmen lernen" oder „Wann muss das Kind frei laufen können"? Beim ersteren geht jeder davon aus, dass dies eine Fähigkeit ist, die ein gesundes Kind selbstverständlich beherrscht und bei zweiten wird eine große Zeitspanne von vorneherein als normal angenommen. Nur beim Stillen, da wird dem Kind nicht die Kompetenz zugestanden, dass es auch diese Fähigkeit selbst und in dem für es passenden Tempo entwickeln wird. Da wird immer wieder behauptet, dass die Eltern das Kind entsprechend „trainieren" müssen. Wenn es DICH also nicht stört, dann schenke deinem Kind diese Zeit. Wie traurig ist es doch, dass wir unseren Menschenkindern kaum noch die natürliche Zeit gönnen, die sie zum gesunden Gedeihen brauchen. Es gibt keinen Grund, dass Du etwas daran ändern musst, dass Du Dein Baby nach Bedarf stillst und auch in den Schlaf stillst, es sei denn DICH persönlich stört etwas daran. Auch die immer wieder geäußerten Argumente, das Baby würde auf diese Weise verwöhnt oder es würde so nie lernen alleine einzuschlafen bzw. nie wieder aus dem Elternbett ausziehen, sind nicht stichhaltig. Babys in diesem Alter können noch nicht verwöhnt werden und Kinder, die sich den Platz im Elternbett nicht erkämpfen oder ertrotzen mussten, ziehen von selbst aus dem Elternbett aus, sobald sie reif genug dafür sind. Im Gegensatz dazu wollen viele Kinder, die als Babys alleine schlafen mussten noch lange ins Elternbett, weil ihr Bedürfnis (noch) nicht gestillt wurde. Sobald ein Baby die nötige Reife hat, lernt es alleine (ein)zuschlafen und wird auch längere Schlafphasen haben. Vielleicht möchtest Du ein Buch zum Thema lesen? Sehr empfehlenswert ist von Sibylle Lüpold das Buch: "Ich will bei euch schlafen - Ruhige Nächte für Eltern und Kinder.“ Auch das Buch von William Sears, "Schlafen und Wachen", das es z.B. über La LecheLiga Deutschland zu kaufen gibt, kann hilfreich sein. Allein das Wissen kann eine Mutter schon beruhigen, und ihr den Stress nehmen, sie hätte ihrem Kind etwas Verkehrtes antrainiert. Lieben Gruß Biggi

von Biggi Welter am 27.01.2022



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