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Geschrieben von mäusemummy am 16.03.2006, 11:29 Uhr

an alle

So, nach allem was ich gelesen habe muss ich jetzt auch noch meinen Senf dazu beitragen.
Meine Eltern sind vor 35 Jahren aus Griechenland nach Deutschland gekommen. Bei der Einreise wurden sie wie "Vieh" behandelt. Meine Mutter erzählte mir unter Tränen, wie die Ärzte sie untersucht hätten. Sie durften keine "Krankheiten" oder sonstige Handicaps haben um eine Arbeitsgenehmigung zu bekommen. Die Zähne mussten Tip-Top sein und die Brille musste - wenn denn benötigt - schon im Heimatland besorgt werden, damit dem deutschen Staat auch ja keine Zusatzkosten entstehen. Sie wurden in Züge verfrachtet und an eine ihnen zugewiesene Fabrik geschickt. Dort lebten sie in Baracken. Meine Eltern erzählte mir, wie sehr sie von den Deutschen gemieden wurden. Dadurch entstand innerhalb der Gruppen gleicher nationaler Herkunft ein sehr starker Zusammenhalt, der bis heute anhält. Nichtsdestotrotz bemühten sich meine Eltern deutsch zu lernen und das Land kennen zu lernen, dass sie sich als Wahlheimat ausgesucht haben.
Ständig spielten meine Eltern mit dem Gedanken zurück zu kehren. Warum? Weil sie trotz ihrer Bemühungen sich hier zu integrieren als "anders" bezeichnet wurden.
In der Grundschule legte ein Vertreter vom Oberschulamt meiner Mutter nahe, mich nach der 4.Klasse auf die Haupt-, maximal auf die Realschule zu schicken, obwohl ich fast nur Einser hatte (auch in Deutsch!), da ich früher oder später Probleme mit der deutschen Sprache haben würde. Meine Mutter antwortete ihm völlig erbost, dass sie es nicht einsehe ihr Kind wegen eines rassistischen Bürokraten zu unterfordern und mein Lehrer stellte sich auf ihre Seite. Trotzdem weiss ich von vielen Fällen, bei denen diese Einschüchterungsmasche tatsächlich Erfolg hatte und die (ausländischen) Kinder nicht auf die empfohlene, sondern niedrigere Schule geschickt wurden.
Auf dem Gymnasium war ich ziemlich einsam. Ich war Ausländerin, auch wenn ich besser Deutsch konnte als viele andere deutsche Mitschüler. Wir waren insgesamt ca. 700 Schüler und die Anzahl an Ausländern war an zwei Händen abzuzählen.
Als Kind hab ich mal meine Eltern gefragt, warum wir Ausländer eigentlich immer schlechtere Wohnungen hatten als unsre deutschen Freunde. Mein Vater meinte, dass wir keine besseren bekommen würden, da ein Vermieter bei der Wahl zwischen einem Deutschen und einem Ausländer im Zweifelsfall immer den Deutschen bevorzugen würde (soviel zur Ghetto-Bildung).
Ich möchte jetzt nicht den Eindruck vermitteln, dass ich eine schreckliche Kindheit in Deutschland hatte, im Gegenteil. Ich habe sehr viele (deutsche und andere) Freunde hier. Ich kommer sehr gut mit meinen Mitmenschen klar - egal welcher Herkunft. Ich habe sogar sehr viele schwäbische Eigenschaften ;) Ich fühle mich trotz allem wohl hier und würde nur ungern hier wegziehen. Aber ist es meine Heimat? Immerhin bin ich hier geboren! Ich würde es gerne behaupten...
Vor drei Jahren sind mein Mann und ich zusammengezogen und die Wohnungssuche hat sich als "Tortur" erwiesen. Wir (er hochbezahlter Angestellter, ich damals gerade mit Studium fertig) haben uns zig Wohnungen angeschaut... Original Kommentare: Ach sie sind nicht deutsch? Das klang aber am Telefon so... Na in dem Fall... die Wohnung ist schon weg.
Wir haben schliesslich eine Wohnung bekommen. Der Vermieter fragte, ob wir lang gesucht haben. Wir haben dies bestätigt und er meinte nur, bei Ausländern ist man halt schon vorsichtiger.
Der Punkt ist, dass wir egal was wir tun, immer Ausländer bleiben werden. Wir wünschen uns so sehr eine Heimat. Unsere Ursprungsländer bezeichnen uns als Deutsche, hier sind wir Ausländer. Wo gehören wir nun hin? Immer wenn ich solche Kommentare höre oder lese, dass Ausländer dies und jenes tun oder eben nicht tun... Immer wenn ich dann mitbekomme, dass ich - wenn auch "integriert" eben doch auch Ausländer bin... würde ich am liebsten meine Sachen packen und verschwinden. Wisst ihr eigentlich wie weh das tut? Ihr behauptet immer, dass es nicht beleidigend gegenüber den "netten" Ausländern gemeint ist, aber in der Realität unterscheidet NIEMAND zwischen GUTEM und SCHLECHTEM Ausländer! Keiner will und über einen Kamm scheren, aber wir fühlen uns angesprochen, weil wir erfahren mussten, dass wir trotz Integration zwar geduldet und geachtet werden, aber NIEMALS als gleichwertig anerkannt sind! Woran ich dies erkenne? Wir (die "Integrierten") wurden hier als die "netten Ausländer", die die sich intergieren bezeichnet, aber keiner von euch hat das Wort "Mitbürger" verwendet.

Liebe aber nachdenkliche Grüsse
Sofia

 
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