Die Geburt

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Geschrieben von Schniesenase am 08.03.2018, 21:05 Uhr

Gewalt in der Geburtshilfe

Liebe Sille,

ich hab ja schon mal gesagt, dass ich Diskussionen mit Dir immer sehr anregend finde, auch wenn wir hier und da unterschiedliche Ansichten haben. ;-)

Ich gebe Dir Recht: Gewalt ist tief in die Kraftwortkiste gegriffen. Und dennoch geht es darum. Die o.g. zwei Beispiele aus meinem Freundeskreis sind eben überhaupt keine Einzelfälle. Gerade die Verharmlosung setzt die Opfer in eine ähnliche Position wie früher Missbrauchs- oder Vergewaltigungsopfer oder auch Vergewaltigungsopfer in der Ehe: Was nicht sein darf, kann ja auch nicht so schlimm gewesen sein. "Sie hat ihn ja geheiratet, da gehört das halt dazu, auch wenn sie es mal oder oft nicht möchte. Soll nicht so zimperlich sein." "Sie ist ja schwanger geworden, da gehört die Abgabe der Selbstbestimmung und achtsamen Behandlung halt dazu." Herauszulesen hier und da - natürlich stark verstärkt - auch hier in den Antworten. Mir ist klar, dass auch dieser Vergleich heftig ist, aber es ist ein Problem, das viele gebärende Frauen in D betrifft, nicht nur wenige Einzelfälle. Und es geht auch wirklich nicht um die Durchführung medizinisch notwendiger Maßnahmen, sondern um tatsächliche Störungen der Gebärenden, die unnötig und fehlerträchtig sind. Ursachen dafür? Mehrbezahlung von Eingriffen erhöht die Wirtschaftlichkeit, Überlastung des Personals durch zu geringe Entlohnung unbeeinflusster Geburten ohne jede Maßnahme, daher zu viele Geburten pro Hebamme, wenn Geburten "zu lange" dauern, Grabenkrieg Ärzteschaft vs. Hebammen, Wunsch nach Feierabend - Dienst schon so lang, Überbelegung der Kliniken mit aktiv Gebärendem durch Rückgang der Geburtshilfestationen, Geburtshäuser und Hausgeburtshebammen, mangelnde Fortbildung des Personals (Ärzte wie Hebammen), unzureichende Ausbildung insbesondere geburtshilflich tätiger Ärztinnen und Ärzte - wie nämlich genau physiologische Geburt bestmöglich funktioniert - oft durch Zeitmangel/Energiemangel, mangelnde externe Kontrolle usw. Es gibt viele Gründe.

Insofern muss auch auf vielen Ebenen daran gearbeitet werden, etwas zu verändern. Die Petition ist eine Ebene, und das Gespräch darüber, gesellschaftlich gesehen, finde ich immens wichtig.

Und an diesem Punkt stimme ich Dir voll zu: Wie schwer haben es um Normalität bemühte Hebammen und Ärzte mit vielen angstgesteuerten Frauen, wenn sie ihnen sagen, dies oder das sei normal und man könne selbst etwas tun, um so oder so damit umzugehen, die Frau müsse abwarten, manchmal auch aushalten und es sei kein Eingriff notwendig oder sinnvoll.

Warum diese große Angst? Weil unsere Gesellschaft von Horrorgeschichten voll ist, aus der Zeit der mangelnden Hygiene, aus der Kriegs- und Nachkriegszeit, als geschwächte, schlecht ernährte Frauen unter sehr widrigen Bedingungen gebären mussten und Antibiotika noch nicht zur Verfügung standen. Kein historischer Roman, in dem Geburt nicht zu einer schrecklichen Ausnahmesituation negativ verklärt wird, kein Film, in dem Wehen nicht als Spannungsverstärker verwendet werden. So viele Bücher, Filme, Darstellungen zeigen gebärende Frauen immer in Rückenlage! Das sind Bilder, die uns bilden - leider in diesem Falle in die falsche Richtung.

Ein weiterer Punkt ist die Art der Vorsorge. Wenig Zeit hat die Gynäkologin/der Gynäkologe. Für ordentliche Gespräche ist wenig Raum. Schwangere werden oft mit halben Infos angstgefüllt entlassen. Es geht oft vor allem um Fehlersuche. Und dann geht das Googlen los. Frau findet im Netz so viele Gefahren für das wachsende Kind und die erfolgreiche Geburt. Mit stillen und Kinderentwicklug geht es weiter. Da wird für U-Untersuchungen mit dem Kind geübt, damit es zum Termin auch richtig entwickelt ist. Da wird Panik geschoben und nach Krankheiten gegoogelt, wenn das Kind bis Termin X noch nicht Y kann usw. Da wird das dann wirklich zum Projekt; das kostbare Leben muss vor so vielen Gefahren beschützt werden. Ich stimme Dir zu; es ist auch eine gesellschaftliche Fehlentwicklung, und die muss an vielen Stellen bearbeitet werden. Eine davon wäre zum Beispiel die Garantie einer durchgehenden, kostenfreien Hebammenbetreuung von Beginn der Schwangerschaft bis Ende der Stillzeit mit genug Zeit für aufklärende Gespräche. Der echte Mensch als Ansprechspartner statt Dr. Google. Garantie bedeutet, dass so ein Gesetz die Kassen und andere Träger in die Pflicht nimmt, ähnlich wie bei der Garantie von Kinderbetreuungsplätzen. Das ist nur ein Beispiel für mögliche Aufgaben des Gesetzgebers.

 
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