Die Geburt

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Geschrieben von Schniesenase am 14.02.2020, 20:58 Uhr

Du verstehst den Unterschied nicht.

Deinem Einwand bezüglich der Psychohygiene der Hebammen, die wunderbare Arbeit leisten stimme ich voll zu. Ich versuche das immer hervorzuheben, und darum mag ich auch Pauschalierungen nicht, die den Hebammenstand per se oder die Ärzteschaft in Sachen Geburtshilfe per se zum Teufel erklären. Das ist genauso falsch wie die sehr empfindsamen Frauen zu wehleidigen Traumtänzerinnen zu erklären. Eine Wertschätzungskultur diesbezüglich wäre schon schön. Ich habe mich bei meiner Hebamme umfangreich für ihre wunderbare Begleitung, weit über das normal Erwartbare hinaus bedankt, es war mir ein Herzenswunsch. Das sollten auch andere tun und tun es auch, denke ich.

Eine sachliche nachträgliche Besprechung der Geburt im Falle von Unstimmigkeiten würde helfen, damit auch die guten Hebammen zu Wort und zu Wert kommen. Raum zu schaffen, damit die Gebärende mit der Hebamme auch hinterher noch mal eine Nachschau und eben Wertschätzung vornehmen können, wäre ein Traum. Dafür fehlt in den Kliniken die Zeit.

Ich arbeite nicht in der Geburtshilfe. Aber ich habe viel mit Frauen zu tun, die traumatisiert aus ihren Geburten kommen. Ich kenne es aus der Schule, wie leicht sich Missstände verselbstständigen und, wie beim Nachlassen der Reizschwellen von Nerven bei einem Dauerreiz, so eine verminderte Wahrnehmung der im selben Boot sitzenden passiert. Das ist scheinbar menschlich - keinesfalls richtig oder akzeptabel - aber es hat auch mit den herrschenden Strukturen zu tun, die Änderungen von Missständen entgegenwirken. Beispiel: Ich habe mal mehrere Jahre mit einem alkoholkranken Lehrer zusammengearbeitet. Er zerstörte, was ich aufbaute, jeden Tag. Hatte ich die Klasse endlich sauber und schön hergestellt, die Kinder auf denselben Zug gesetzt, dass sie es selbst wichtig fanden, den Lebensraum schön zu gestalten und zu halten, Regeln zum Umgang miteinander wichtig zu finden und auch mal zu schlucken und sich daran zu halten, wenn es ihnen gerade nicht so passte, war alles nach einer einzigen Stunde des Kollegen ruiniert und der Müll und die alte Anarchie wieder hergestellt. Mehrere Jahre wies ich nachdrücklich und fortwährend auf diese Missstände hin, Eltern sprachen mich an, es war mir schrecklich unangenehm, und ich musste ihnen raten, massiv schulamtlich aktiv zu werden, weil ich selbst nichts erreichte, stattdessen aber der Nestbeschmutzer wurde. Und das, obwohl es dem Mann nur engegengekommen wäre, hätte man ihm geholfen, etwas gegen seine Sucht TUN ZU MÜSSEN. Erst mit Wechsel der Schulleitung geschah wirklich etwas, und er wurde im Rahmen einer Wiedereingliederung therapiert. Bis dahin litten Kinder und Kollegenen darunter, für die Kinder am schlimmsten natürlich. Unverzeihlich!

Ich könnte weitere Beispiele aus verschiedenen Gebieten liefern. Alle haben eines gemein: Wer solche Missstände aufdeckt, hat ein sehr steiniges Leben, riskiert seinen Job, seine Gesundheit und auch die "Freundschaften", mindestens aber Sympathien der Kollegenen. Ich würde das dennoch immer wieder mit aller Kraft versuchen, aber ich will damit sagen, dass es erklärbar ist, warum solche Menschen so lange ihr Unwesen, ihre Unfähigkeit oder ihre krankhaften Züge leben können. Es sind eben NICHT Systeme geschaffen worden, die solche Sümpfe sofort offenlegen und beseitigen.

Und dann gibt es noch die, die aus psychischen Gründen immer wieder falsch handeln, die eigentlich überfordert sind, aber durch Personalmangel und schlechte Arbeitsstrukturen, unfähige Vorgesetzte und schlechtes Fortbildungsmanagement menschenunwürdige Arbeit leisten.

Es gibt hier nicht Schwarzweiß, die Welt ist bunt, und alle Graustufen inklusive Schwarz kommen vor. Darum ist es so wichtig, dass für solche Dinge sensibilisiert wird, auch wenn man sich bisweilen unbeliebt macht.

Was das Buch anbetrifft, bin ich zwar von Haus aus Biologin, aber selbst ohne das sind viele Bereiche auch ohne Vorbildung ganz gut zu verstehen. Man kann ihn aber auch googlen. Er ist 2017 gestorben, war ca. 20 Jahre Leiter einer geburtshilflichen Klinik in Wien und hat immer wieder nachdrücklich darauf gedrungen, die Hebammen mit mehr Macht und Befugnissen in den Kliniken auszustatten, evidenzbasiert zu arbeiten und wirtschaftliche Aspekte nicht vor die gesunde Geburtsbegleitung zu stellen. Es gibt Interviews mit ihm im Netz. Bis 1985 leitete er die Semmelweis-Klinik und hatte dort eine KS-Rate von weniger als 2%, bei gleichzeitig niedriger Komplikationsrate im Vergleich. Er ist radikal gewesen in seinen Ansichten und auch in der Art, wie er sie äußerte. Wie schon gesagt, es muss erst einmal provoziert werden, damit aufgehorcht wird. Mir hat er viel zu erzählen gehabt, als ich mich mit ihm beschäftigte.

Vielleicht willst Du Verwaltungsmenschin ihn ja einfach mal im Netz besuchen. :-)

Herzliche Grüße

Sileick

 
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